Sträflingskarneval
bin kein Mönch. Außerdem liegen meine Räume abseits der Zellen, so werden sie von mir nicht gestört. Kommt mit, ich bringe euch dorthin.“
Immer noch erstaunt über diesen ungewöhnlichen Ort zum Leben, folgten sie ihrem spanischen Führer. Er ging ihnen langsam voraus, damit Lawren mit seinen Krücken den Anschluss nicht verlor. Von der Eingangshalle ging es direkt hinaus ins Freie und geradewegs zu einem prächtigen, offenen Kreuzgang. Insgesamt besaß das Kloster zwei dieser Gänge und dort wo beide auf die Mauern der dazugehörigen Kirche stießen, hatte sich ein großer, quadratischer Innenhof gebildet. Er beherbergte einen wunderschönen grünen Garten mit einem Brunnen und Orangenbäumen. Insgesamt gab es drei Stockwerke und Raoul erklärte, dass das obere Stockwerk hauptsächlich Besucherzimmer beherbergte, ebenso wie seine eigenen Räume.
Am Ende des Kreuzganges erreichten sie eine kleine Seitentür die, wie der dahinter liegende Gang und die Steintreppe völlig schmucklos war. Die Leere der Wände wurde nur durch mehrere Holzkreuze und eiserne Fackelhaltern unterbrochen, die jedoch leer waren. Stattdessen hingen an der gewölbten weißen Decke strombetriebene Lampen, die tagsüber jedoch nicht brannten, denn durch die kleinen Buntglasfenster zur Straßenseite hin fiel genügend Licht herein.
Die Freunde spürten deutlich, dass dieses Gebäude viele Jahrhunderte hatte kommen und gehen sehen. Die Mauern sprachen eine geschichtliche Sprache und erinnerten sie zugleich an das Ordenshaus in Galway wie auch an das Schulgebäude auf Omey Island. Auch diese beiden Bauten hatten bereits einige Jahrhunderte lang Wind und Wetter getrotzt, doch sie kamen nicht an die schlichte Majestät dieses katholischen Klosters heran. Anfänglich noch überrascht waren sie nunmehr wissbegierig, mehr über ihre ungewöhnliche Herberge zu erfahren.
Raoul führte sie über die Treppe ins Obergeschoss und unterstützte Lawren dabei hilfreich, der sichtlich Probleme mit den vielen Stufen hatte. Anschließend war es nicht mehr weit und sie wurden von einem großen Raum in Empfang genommen.
Hatten Gillean und seine Begleiter bis eben nur gestaunt, wurden sie jetzt von dem überwältigenden Anblick dieser Räumlichkeiten nahezu erschlagen. Das Zimmer entpuppte sich als eine geräumige Zweizimmerwohnung, die abseits der Zellen und der Besucherzimmer lag. Es gab sogar ein angrenzendes, separates Badezimmer mit Badewanne. Durch die vergitterten Fenster präsentierte sich ein sehenswerter Anblick auf die Altstadt Granadas und in der Ferne ragte die rote Burg Alhambra majestätisch in den strahlend blauen Himmel. Raouls Einrichtung bestand aus antiken Möbeln, einem Sofa und zwei Sesseln, einem Kamin und unzähligen, überfüllten Bücherregalen und Schränken. Sogar auf den sandfarbenen Fliesen stapelten sich Bücher, alte wie auch neue, und nicht einmal der barocke Schreibtisch bildete eine Ausnahme. Zwischen all diesen antiquarischen Schätzen wirkten der Laptop und das schnurlose Telefon auf dem Schreibtisch völlig fehl am Platz.
„Immer nur rein, macht es euch gemütlich, bin gleich wieder da.“ Mit diesen Worten lud Raoul seine Gäste ein, ging selbst aber wieder hinaus auf den Gang und schloss die Tür hinter sich.
„Ich habe eine Menge erwartet …“, flüsterte Gillean und ließ seinen Blick schweifen. „Aber das hatte ich mir nicht vorgestellt.“
„Heute Morgen hättest du dir auch noch nicht vorstellen können, deinen Vater zu sehen.“ Aidan zwinkerte ihm aufmunternd zu und schnappte sich Ryans Hand, um es sich mit ihm zusammen auf dem Sofa bequem zu machen. Es war mit grünem Samt überzogen und ein wahrer Hingucker.
Lawren folgte dem Beispiel seines Sohnes, nur Gillean und Kimberly liefen mit interessierten Blicken an den Bücherregalen auf und ab und bestaunten das angehäufte Wissen, das durchaus einer ehrwürdigen Bibliothek Konkurrenz gemacht hätte. Von uralten Enzyklopädien bis hin zu den Klassikern der Literaturgeschichte war alles zu finden.
Eine Viertelstunde später kam Raoul mit zwei Ordensbrüdern zurück; sie trugen große Tabletts mit köstlich duftendem Essen. Und erst da bemerkten die Besucher, wie hungrig sie in Wirklichkeit waren. Daher ließen sie sich nicht lange bitten. Dazu reichte Raoul einen spanischen Rotwein, der von einem Bauer aus der näheren Provinz stammte, der hauptsächlich für das Kloster kelterte.
Nach einer ordentlichen Mahlzeit fehlte nur noch ein anständiger
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