Sträflingskarneval
saßen Ryan, Aidan, Kimberly und Gillean da und waren zu keiner Antwort fähig. Ihr Puls raste und ihre Nervosität erklomm plötzlich ungeahnte Höhen. Hatten sie soeben tatsächlich den Auftrag erhalten, gemeinsam mit Raoul das Versteck zu betreten, die Kostbarkeiten mit eigenen Augen sehen zu dürfen und diese anschließend persönlich nach Rom zu bringen?
Als hätte Álvaro Luengo ihre Gedanken gelesen, lachte er und fügte erklärend hinzu: „Ich bin absolut davon überzeugt, dass Ihr die Richtigen dafür seid. Colin ist schon immer ein kluger Mann gewesen und wem er vertraut hat, dem vertraue ich auch.“
„Und was passiert mit Bartholemeus, wenn er doch …“, fragte Raoul, wurde aber mit einem Wink gestoppt.
„So weit wird es nicht kommen, unsere Spione folgen ihm, und wie ich schon sagte, sollte sich etwas ergeben, rufe ich dich sofort an.“
Raoul schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein, dennoch lag ihm noch etwas anderes auf dem Herzen. Daher bat er um einige Minuten Aufschub, um unter vier Augen mit seinem Sohn sprechen zu dürfen, was ihm gewährt wurde.
Indes lud Álvaro die Gäste aus Irland ins Wohnzimmer ein, wo ihnen Miguel kühle Getränke servierte und sie endlich erfuhren, was sie im Versteck erwarten würde.
- 19 -
Die Gewalt der Entscheidung
Raoul Jaramago kehrte mit den vier Freunden ins Kloster Monasterio de San Jerónimo zurück. Lawren blieb bei Álvaro Luengo, da er die anderen mit seiner Behinderung nur aufhalten würde, allerdings bedauerte er das zutiefst – er wäre zu gerne dabei gewesen, wenn sie den Schatz an sich nahmen. Doch in dem Oberhaupt der Djed hatte er einen guten Gesprächspartner gefunden und so wollte er mit ihm gemeinsam auf Raouls rettenden Anruf warten, wenn sie die Dokumente an sich genommen hatten und auf dem Rückweg waren.
„Ich glaube es immer noch nicht.“ Kimberly wiederholte sich schon zum zehnten Mal auf dem Weg von der Villa der Djed bis in die Stadt Granada hinein und schüttelte immer wieder den Kopf. „Ich werde tatsächlich den uralten Schätzen gegenüberstehen.“
„Ich stehe meinem Schatz jeden Tag gegenüber“, sagte Gillean und lachte, während er mit ihr an Raouls Seite durchs Klosterportal schritt. „Aber glaub mir, uns Jungs geht es nicht anders.“
Einstimmig gaben sie ihm recht und lachten ebenfalls. Das Lachen half ihnen dabei, die jetzt ständig anwachsende Nervosität, die sie nicht mehr losließ, besser zu kontrollieren.
Raoul führte sie eine versteckte Kellertreppe hinab in den feuchten Weinkeller des Klosters. Dort bewahrten die Mönche nicht nur die edlen spanischen Tropfen auf, sondern auch – praktisch vor aller Augen – den Eingang zum bestgehüteten Schatz der Menschheit. Kleine Deckenlampen beleuchteten einen breiten Gang, der sie vorbei an Spinnweben und mehreren geschlossenen Türen, zwei großen Vorratskammern mit Weinregalen und einem Sammelsurium aussortierter Holzkreuze, Steinstatuen und Büchern führte, alles sorgfältig in Holzregalen aufbewahrt. Nach ein paar Abbiegungen erreichten sie einen abgelegenen kleinen Raum, der in der Mitte durch einen deckenhohen Gitterzaun und eine eiserne Gittertür von der anderen Seite abgetrennt war. Dahinter befand sich eine geschlossene Eisentür. Schon ein paar Meter zuvor hatte Raoul ihnen Fackeln in die Hände gedrückt, die er jetzt mithilfe seines Benzinfeuerzeugs anzündete. Schlagartig wich der Schatten dem Licht und Ryan erkannte sofort das Symbol der Djed auf dem Schloss des Tores wieder. Aber es handelte sich nicht um ein normales Schloss, wie er gleich sehen sollte.
In jenem Moment wurde er jedoch von Aidan abgelenkt, der neben ihm zusammenzuckte.
Schon als er den Keller betreten hatte, war er beim Anblick der dämmrigen Gänge an seine Zeit in Llŷr erinnert worden, und je weiter sie in den Keller vorgedrungen waren, umso mehr stürzten die Bilder der Gefängnisinsel auf ihn ein. Aidan spürte, wie ein Zittern seine Glieder heraufkroch, und trotz aller Bemühungen konnte er es nicht unterdrücken. Der Versuch, sich nichts anmerken zu lassen, scheiterte kläglich und nicht nur Ryan, sondern auch seine Freunde und Raoul beobachteten ihn besorgt.
„Du brauchst keine Angst zu haben“, flüsterte Ryan ihm zu und nahm Aidans Hand, die er fest drückte. „Llŷr liegt hinter dir. Du bist nicht alleine, ich bin bei dir. Aber wenn du willst, dann kann ich auch mit dir zurückgehen oder hier mit dir warten, falls es dir dann besser
Weitere Kostenlose Bücher