Sträflingskarneval
eine halbe Stunde einfach da und ging nur, als Kimberly ihn schließlich fand und zum Frühstück schleifte.
*
Am Abend stand Ryan wieder vor der Tür zur Krankenstation. Inzwischen hatte er alles, was er am Morgen mit angehört hatte, Kimberly erzählt. Sie war genauso geschockt wie er, und beide waren sich einig. Sie wollten gemeinsam helfen. Trotz seiner Entschlossenheit war Ryan sehr nervös, kannte aber den Grund dafür nicht recht. Was, wenn Aidan ihre Hilfe gar nicht wollte? Oder wenn er nicht einmal mit ihm reden wollte? Was, wenn er sich kein bisschen verändert hätte und er immer noch der arrogante Schnösel war, der …
„Das ist absoluter Quatsch!“, schimpfte Ryan mit sich selbst und schüttelte die Gedanken ab.
Er machte sich nur unnötig Sorgen. Außerdem musste er erst einmal mit Aidan sprechen, denn Spekulationen und Vermutungen brachten ihn nicht weiter. Schließlich öffnete er die Tür und trat ein. Seit seinem Fortgehen schien sich nichts verändert zu haben. Die Krankenschwester saß in ihrem Büro nebenan und schrieb irgendetwas in ein Buch, Ryan konnte sie gut sehen und als sie ihn bemerkte, nickte sie ihm freundlich zu. Er holte einmal tief Luft, um sich ein wenig Mut zuzusprechen, und ging hinüber zu Aidans Bett, wo er sich auf den Stuhl setzte.
Überrascht blickte er in die matten grauen Augen, die ihn früher stets provokativ angefunkelt hatten. Jetzt strahlten sie tiefe Dankbarkeit aus. „Endlich bist du wach, ich hab mir schon Sorgen gemacht.“ Ryan lächelte.
„Das hat mir Mrs. Donahue erzählt“, erwiderte Aidan leise. „Danke … du hast mich … gerettet. Das hätte bestimmt nicht jeder gemacht.“
„Kein Problem“, gab Ryan zurück und war unendlich froh, dass Aidan den Anfang machte. Noch vor ein paar Monaten hätten sie sich sicherlich nur Beleidigungen an den Kopf geworfen, aber jetzt konnte sich Ryan gar nicht vorstellen, mit Aidan zu streiten. Diesen Gedanken nahm er zum Anlass, um ihm einen Schritt entgegen zukommen. „Wie wäre es, wenn wir einen Neuanfang starten? Vergessen wir einfach, dass wir uns mal nicht riechen konnten. Was meinst du? Die Zeiten haben sich echt viel zu schnell geändert und aus dem Kindergartenalter sind wir auch längst raus.“
Aidan musterte ihn sprachlos. Er musste sich erst einmal an die neue Situation gewöhnen. Nicht nur, dass Ryan ihn vor Zebediahs Mordversuch gerettet hatte, sondern auch, dass er plötzlich ganz normal mit ihm redete und dieser Vorschlag von ihm kam. Hinzu kam die Tatsache, dass Ryan in der Verhandlung und vor allem gegenüber Peter Smith ausgerechnet für ihn Partei ergriffen hatte. Das war einen Neuanfang wert und so nickte er zustimmend. Zudem war er froh, nicht mehr alleine dazustehen.
„Danke. Wie geht es dir eigentlich? Hast du große Schmerzen?“ Nervös knetete Ryan seine Finger.
„Es ist besser als vorher … glaub ich. Aber mir tut … nun ja … irgendwie tut mir trotzdem alles weh.“
„Das geht vorbei … hoffe ich“, antwortete Ryan.
„Das hoffe ich auch.“ Aidan sah plötzlich nicht weniger aufgeregt aus, wie Ryan sich fühlte. „Ist meine Mutter wirklich bei Tante Kendra?“, platzte es schließlich aus ihm heraus. Er musste wissen, wie es ihr ging.
„Ja.“ Ryan wurde noch nervöser und versuchte sich zu entspannen, was ihm nicht so recht gelingen wollte. „Sie ist bei Kendra. Ihr geht es gut. Du musst dir keine Sorgen machen.“
„Das ist gut.“
Ryan nickte und entschloss sich kurzerhand, Aidan von dem Abend bei Kendra O’Neill zu berichten, sowie von der Bitte seiner Mutter. So erzählte er in den nächsten zehn Minuten alles, was er wusste.
Stumm hörte Aidan ihm zu. Dabei rutschte er unruhig im Bett herum, sodass die Bettdecke ein wenig mehr von seinem geschundenen Oberkörper preisgab. Doch darauf achtete er gar nicht, selbst als er Ryans Unwohlsein sah. „Sagst du mir auch die Wahrheit, oder ist das nur ein komisches Spiel, um von mir Informationen zu bekommen?“
„Was?“ Ryan riss verwirrt die Augen auf. „Nein! Es ist kein Spiel … warte … ich hol den Brief von deiner Mutter und du kannst es selbst lesen.“ Er wollte schon aufstehen, da hielt ihn Aidan zurück.
„Bleib hier“, sagte er und schüttelte den Kopf.
„Wie jetzt?“
„Ich wollte dich doch nur ärgern“, antwortete Aidan. „Hättest du keinen Brief von meiner Mutter, wäre deine Reaktion ganz anders ausgefallen. Also wenn ich eines von meinem Vater gelernt habe, dann wie man
Weitere Kostenlose Bücher