Sträflingskarneval
fing sie auf und befestigte sie an einem von mehreren Ankerringen. Nachdem das Boot angelegt hatte, stiegen sie nacheinander aus, wobei Ryan absichtlich der Letzte in der Reihe war. Gillean schubste Kimberly als angeblich neuen Gefangenen immer wieder ein paar Schritte nach vorne und Duncan kümmerte sich um den Großmeister. Jeder spielte seine Rolle perfekt.
Trotzdem fiel es Ryan schwer sich als Bartholemeus Hinthrone auszugeben. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und sein Herz raste. Er schaute mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zum steinigen Ufer, und instinktiv wanderten seine Finger über den Griff der versteckten Pistole. Einmal mehr hoffte er, sie nicht benutzen zu müssen. Ihr Plan musste einfach funktionieren.
Bevor sie sich in Bewegung setzten, wandte Duncan sich an den Kapitän des Motorbootes und hieß ihn, zu warten; Mr. Hinthrone würde nicht lange benötigen und wolle so schnell wie möglich zurück nach Westport. Anschließend führte er die kleine Gruppe direkt zum Eingang der Festung. Dabei wurden sie von einigen Männern wachsam beobachtete, doch sobald der Großmeister an ihnen vorbeikam, zollten sie ihm höflichen Respekt. So erreichten sie ohne Schwierigkeiten ihr Ziel und traten durch die große Eisentür ein. Sofort hüllte sie eine feuchte Dunkelheit ein, auf die sie ihm ersten Moment nicht vorbereitet waren. Es wirkte unheimlich und gefährlich. Sie warfen sich freiwillig den Löwen zum Fraß vor. Doch als Duncan ihnen aus dem angrenzenden Wachraum, in dem sich gleich mehrere Männer aufhielten, drei brennende Fackeln brachte, wich die Finsternis und das beklemmende Gefühl ein wenig, doch selbst das Licht konnte ihnen die beklemmende Angst nicht nehmen.
Die Gruppe verzichtete gerne auf eine ausführliche Besichtigungstour, sondern machte sich lieber schnurstracks an den Aufstieg ins oberste Stockwerk, wo laut Duncan Aidan gefangen gehalten wurde. Ihr Weg war anstrengend und führte sie über ausgetretene Steinstufen, vorbei an zugigen Fensterluken und abzweigenden, niedrigen Gängen nach oben.
„Hier stimmt was nicht“, flüsterte Gillean und blieb abrupt stehen. Angespannt lauschte er.
„Was ist?“, erkundigte sich Kimberly ängstlich und am liebsten hätte sie sich in die Arme ihres Freundes geflüchtet. Aber sie spielte einen Gefangenen und er war ihr Wärter.
„Da ist nichts“, sagte Duncan und drängte sich etwas umständlich an den beiden vorbei. „Das war bestimmt der Wind oder …“
„Duncan? Bist du das?“, rief plötzlich jemand vom obersten Treppenabsatz, der in einen Gang nach links abzweigte.
Ryan erschrak und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. In letzter Sekunde konnte er sich noch an der Ecke einer Fensterluke festhalten und seufzte erleichtert. Umso nervöser beäugte er seinen Cousin.
„Marcus?“, antwortete dieser gerade und lief langsam weiter, als aus dem Gang eine dunkle Silhouette auftauchte.
„Ja, ich bin’s. Wo warst du denn? Ich hab dich überall gesucht. Vor einer Viertelstunde wurde Alarm gegeben“, erklärte er. „Jemand hat Smith bewusstlos geschlagen. Er war in einer Zelle gefa –„
Mitten im Wort brach er ab, als er hinter Duncan den Großmeister entdeckte. Überrascht riss er die Augen auf.
„Was ist hier los? Ich hab Sie doch erst vor fünf Minuten auf dem Handy angerufen, Mr. Hinthrone. Wie konnten Sie nur so –“
Im nächsten Augenblick ging alles sehr schnell. Ryan stieß Duncan zur Seite und rannte auf Marcus zu. Er schnappte ihn sich am Hosenbund und zog ihn mit ganzer Kraft zu sich heran, um ihn anschließend an der Taille festzuhalten. Die Wache durfte nicht entkommen, doch diese wehrte sich störrisch mit Händen und Füßen.
Gillean eilte ihm zur Hilfe und traf den Wärter mit einem gut gezielten Hieb seines Prügelstocks am Hinterkopf, worauf dieser aufstöhnte und bewusstlos zu Boden ging.
„Verdammt, das war knapp.“ Ryan keuchte und zupfte sich schnell den Anzug zurecht.
„Das kannst du laut sagen. Und was machen wir jetzt?“ Gillean blickte sich fahrig um. „Wenn sie uns mit ihm sehen oder –“
„Eins nach dem anderen“, mischte sich Kimberly ein und drängelte sich an Duncan vorbei, der - teils verwirrt, teils eingeschüchtert - auf seinen Kollegen starrte. „Wir müssen ihn irgendwohin bringen, wo ihn niemand findet und er gleichzeitig in Sicherheit ist. Dann bleibt am besten Gillean bei ihm und wir anderen holen Aidan.“
„Ich dachte, eins nach dem anderen?“,
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