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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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Mein Flug geht erst um acht.«
    »Ich kann nicht, Kennedy. Ich bin gerade mit einem Fall betraut, der … ich muss …«
    »Wie wichtig kann das schon sein? Weißt du, dass ich ein Rohschnitt-Screening habe sausen lassen, um heute hier sein zu können?«
    Patrick lächelte, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und beugte sich zu ihm vor. »Die Sache ist folgende: Neulich – genau genommen war es der Tag, an dem du angerufen hast, um zu sagen, dass du doch nicht kommst, weshalb ich damals vermutlich auch ein wenig kurz angebunden war – wurde ich zur Autopsie eines Kindes gerufen. Der Junge hatte auf einer Liste von Kids gestanden, die wir im Auge behalten sollten. Aber offenbar stand er nicht so weit oben auf der Liste, wie er eigentlich hätte stehen müssen. Weißt du, was passiert ist? Der Junge läuft ins Wohnzimmer, er spielt, tollt nur ein wenig herum und wirft dabei die Wodkaflasche seines Daddys um. Wir reden hier von elf Uhr morgens, wohlgemerkt. Der Mann sieht, wie die Flasche umkippt und ihr Inhalt sich auf den Teppich ergießt. Also geht er mit den Fäusten auf den Kleinen los. Schlägt ihn mit dem Kopf gegen die Wand, bis der Junge das Bewusstsein verliert. Der Schädel war so schlimm gebrochen, dass der Arzt dachte, er wäre von einem Auto überfahren worden. Der Kleine ist noch in derselben Nacht auf der Intensivstation verstorben.«
    Kennedy starrte aufs Tischtuch.
    »Tja, offenbar hatte niemand in der Abteilung die Empfehlung ausgesprochen, das Kind in staatliche Obhut zu geben. Vermutlich, weil es uns einfach an Personal fehlt, um der Familie genügend Besuche abzustatten, um ein Eingreifen zu rechtfertigen. Aber bei der Obduktion stand uns noch eine weitere Überraschung bevor. Der Pathologe drehte die Leiche um – der Junge war gerade mal sechs Jahre alt –, und der Analbereich des Kleinen war regelrecht aufgerissen. Wie sich herausstellte, hatte Daddy ihn auch noch vergewaltigt.«
    Kennedy schloss die Augen. Er wollte nichts mehr hören.
    »Also muss ich jetzt zurück ins Büro, wo wir sämtliche Akten des Falls aus den letzten paar Jahren noch einmal durchgehen werden, um festzustellen, ob oder warum der sexuelle Missbrauch niemandem aufgefallen ist. Aber nichts für ungut, Kennedy. Ich weiß das Opfer, das du gebracht hast, indem du dieses Screening-Dingsda hast sausen lassen, wirklich zu schätzen.«
    Stille.
    »Tut mir leid, Patrick.«
    »Nein, mir tut’s leid. Ich hätte das nicht sagen sollen … heute ist einfach nicht mein Tag. Wie auch immer, ich sollte jetzt mal besser los. Danke für das Essen. Es war wirklich sehr lecker. Oh … hier.« Er schob etwas über den Tisch, als er aufstand. »Eigentlich wollte ich es dir per Mail mitteilen, aber dann dachte ich fälschlicherweise, wir würden uns ja bald sehen …«
    Kennedy starrte auf das Stück Papier, sein Blick war bereits ein wenig verschwommen. Ein Scheck, ausgestellt in Patricks stolzer Blockschrift, die genauso aussah wie die ihres Vaters. »Was ist das?«
    »Fünftausend. Das ist der Rest, den ich dir von dem Kredit für den Anbau schulde.«
    »Mein Gott, Patrick. Behalt das Geld einfach.«
    »Nein. Jetzt sind wir wieder quitt.«
    »Patrick, ernsthaft. Fahrt in Urlaub. Investiert es in ein neues Auto oder so.«
    »Ich will meine Schulden bei dir begleichen.«
    »Ich will das Geld aber nicht.«
    Patrick seufzte. »Hör zu, Kennedy, nimm jetzt einfach den beschissenen Scheck, verstanden?«
    »Aber das ist doch gar nicht nötig. Verdammt. Also gut.«
    Kennedy faltete den Scheck, steckte ihn in die Brusttasche seines Anzugs und stand auf. Die beiden umarmten sich. Der raue Kragen von Patricks Jackett kratzte über Kennedys Wange. Er trat einen Schritt zurück und packte seinen Bruder bei den Schultern. »Denkst du oft an Gerry?«
    »Ja, das tu ich.«
    »Weißt du, ich denke immer wieder, ich hätte ihr …«
    »Sie war eine Alkoholikerin und drogenabhängig, Kennedy. Die Sterblichkeitsrate bei den unter Vierzigjährigen ist da jenseits von Gut und Böse.«
    Kennedy nickte, die Hände immer noch auf den Schultern seines Bruders, und zupfte ihm einen Faden vom Revers. Bürstete ein paar einsame Schuppen ab. »Du könntest das Geld wenigstens behalten, um dir einen vernünftigen Anzug davon zu kaufen.«
    Patrick lachte. »Ich habe zwei Anzüge. Was zur Hölle soll ich mit einem dritten?«
    Kennedy umarmte ihn erneut. »Bis nächste Woche, in Ordnung?«
    »Klar. Pass auf dich auf. Und viel Glück mit dem Film. Gute Heimreise,

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