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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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wieder Gestalten auf, die alles auf den Kopf stellen wollen, wie Ihr heiß geliebter B. S. Johnson. Und wissen Sie was? In der Regel verlieren sie erst den Verstand und sind bald darauf vergriffen.«
    »Nun«, sagte Drummond und verschränkte die Arme, »Ihnen scheint ja wohl besonders an Ihrer Hinterlassenschaft, am zukünftigen Stellenwert Ihrer Bücher gelegen zu sein.«
    »Schriftstellerische Intention ist etwas völlig anderes als schriftstellerische Selbstverliebtheit«, erwiderte Kennedy.
    »Aber wenn Sie Ihr Werk rückblickend betrachten …«, hob die Amerikanerin an.
    »Wenn man etwas einmal abgeschlossen hat, dann ist es auch endgültig vorbei«, sagte Kennedy. »Sie wissen schon: Was kümmert’s mich, ich schick ihn übers Meer. « Er neigte den Kopf zur Seite, und seine Stimme erklang sanft im Glanz des Kristalls und des Kerzenlichts.
    Da wären wir also wieder, dachte Millie.
    »Ich bin ja doch bloß seiner Feenbraut hinterher …
    Die Schauspieler und den Prospekt hab ich gesehn,
    Nicht jene Dinge, für die beide bildlich stehn.«
    Diese letzte Zeile schmerzte ihn sehr. Er beugte sich vor, ging vollkommen darin auf. Und wer vermochte schon zu widerstehen, wenn Yeats in Kennedys irischem Singsang sanft von den eichenholzverkleideten Wänden widerhallte?
    »Die meisterhaften Bilder, alle rund,
    In reinem Geist gereift, doch wo entdeckt?
    Bei Kesseln, Flaschen, Büchsen, Schmutz und Schund,
    Alteisen, Knochen, Lumpen, Straßendreck,
    Der blöden Fotze, die herumschreit und
    Die Kasse macht. Jetzt ist die Leiter weg.
    Ich krieche um den Leitergrund, verroht
    Lieg ich beim Lumpensammler Herz im Kot.«
    Nachdem er fertig war, blickte er auf, lächelte, strich sich den dichten schwarzen Pony aus den Augen und griff nach seinem Glas. Anerkennender Applaus ertönte, in den sogar Drummond zögerlich mit einfiel.
    »Exzellent«, sagte der Dekan. »Heutzutage hört man nur noch selten …«
    Alle Frauen außer Millie – sie hatte diesen Film schon viel zu oft gesehen – starrten Kennedy hingerissen an und schlugen die Beine übereinander.
    »Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte Kennedy.
    Draußen rauchte er in der feuchtkalten Dezemberluft eine Zigarette und checkte seine Mails. Spengler: »Sei bitte so gut und ruf mich an, in Ordnung?« Dr. Beaufort: »Ihre Testresultate sind da. Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber es wäre wohl das Beste, wenn Sie vorbeikämen, sobald es Ihnen irgend möglich ist, um Ihre Situation zu besprechen.« Oh, verdammt. Und schließlich Patrick: »Kennedy. Ruf mich zurück.«
    Er wusste es sofort. Patricks gepresste Stimme hatte es ihm verraten.
    »Patrick.«
    »Sie ist eingeschlafen, gleich nachdem wir das Krankenhaus verlassen hatten.«
    »Geht’s dir gut?«
    »Sicher. Ich komm klar. Ich halte dich wegen der Beerdigungsvorbereitungen auf dem Laufenden.«
    Kennedy legte auf und zündete sich eine neue Marlboro mit dem Stummel der letzten an. Jetzt war es also passiert. Die einzige Frau auf diesem Planeten, die sich mit all seinen Taten abfinden konnte, war gegangen. Er spürte das erste Rumoren seiner gewohnten Reaktion auf den Tod: Wut. Du Drecksack. Du verfluchter Wichser. Und auch Angst.
    »Sobald es Ihnen irgend möglich ist …«
    Und was Paige betraf … was empfand er da? Was ging in seinem verknöcherten kleinen Lumpensammlerherzen vor? Fast hätte er die Tür aufgemacht und es hineingelassen: dieses Ding, das uns alle überdauern wird. Er hatte die Tür einen Spaltbreit geöffnet, woraufhin ein eisiger Wind hindurchgefegt war und ihn von den Füßen gerissen hatte. Auf gewisse Weise war es eine lehrreiche Erfahrung gewesen. Immerhin erfuhr er so, dass die Liebe auch in seinem Alter nichts von ihrer schwächenden Kraft verlor. Er fühlte sich genau so, wie man sich unter diesen Umständen eben fühlte: nutzlos, zurückgewiesen, ungewollt, leer. Und jenseits dieser Gefühle lauerte die Ahnung eines noch weitaus größeren Grauens. Denn so weit, wie das Spiel fortgeschritten war, konnte tatsächlich jedes Mal das letzte Mal sein. Gott, er wollte in eine Whiskyflasche kriechen und so tief inhalieren, wie er konnte.
    Er schnipste die Zigarette weg und ging ins Haus zurück. Inzwischen hatten sich alle zu Kaffee und Brandy in der Lounge versammelt. Am anderen Ende des Raums unterhielt sich Millie mit der Frau des Dekans. Kennedy goss sich einen großen Whisky ein, kippte ihn runter und schlenderte zu ihr hinüber.
    »Oha«, sagte die Amerikanerin, als er an ihr vorbeikam.

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