Straight White Male: Roman (German Edition)
den Kopf andächtig gesenkt, während er dem Kellner lauschte, wie dieser das Agnus Dei der Horsd’œuvres vortrug, bekam Kennedy in der Regel den zweiten Martini serviert, den er beim Verlassen der Bar bestellt hatte, um während des Prozesses der Vorspeisenauswahl daran zu nippen. Es mussten immer drei Gänge sein. Horsd’œuvre und Entree wurden von unterschiedlichen Weinen begleitet. Zum Nachtisch gab es Dessertwein. Dann Cognac, Grappa oder Amaretto mit diversen Tassen schwarzen, bitteren Espressos.
Jedes Mal, wenn ein Lunch mit Kennedy anstand, litt Bradens Firmenkreditkarte wie eine zirrhotische Leber.
Hier und heute, unter der hohen, mit Fresken geschmückten Decke, inmitten des Klirrens von Stahl und Kristall, bestellte Kennedy Schwertmuscheln zum Auftakt, gefolgt von Kalbsleber à point. Eine Flasche Chablis begleitete die Meeresfrüchte und ein Pinot den Hauptgang. Braden entschied sich für die Hollywood-Standardkost, bestehend aus Suppe und Salat. Er aß kaum etwas anderes und ging viermal die Woche ins Fitnessstudio. Kennedy – kaum der Erwähnung wert – tat das nicht. Umso erstaunlicher war es für Braden, dass der Mann nie auch nur ein Pfund zuzulegen schien.
Kennedy entfaltete die schwere Leinenserviette auf seinem Schoß und lehnte sich mit seinem Martini zurück, bevor er mit einem zufriedenen Seufzen den Blick durchs Restaurant schweifen ließ. »Ja leck mich doch am Arsch«, sagte er. »Sieh dir das da drüben mal an.«
»Um Himmels willen, Kennedy«, sagte Braden. »Für einen Mann mit über einer Million Steuerschulden machst du einen verdammt entspannten Eindruck.«
»Pah. Das wird sich schon regeln. Jetzt mach dich mal locker und wirf gefälligst einen Blick da rüber. Was für ein Hintern! Was für ein göttlicher Hintern , Braden.«
Braden seufzte. »Sei’s drum. Ich habe gute Neuigkeiten. Ich konnte vor Craig nicht darüber reden, aber ich habe heute Morgen mit Scott Spengler telefoniert.« Braden legte eine dramatische Pause ein, platzierte die Hände auf der Tischdecke und verschränkte sie ineinander. »Er steht, der Deal mit Julie Teal.«
Kennedy zog eine Grimasse. »Was für ein grauenhafter Reim. Viel zu plakativ. Obwohl, für einen Limerick oder Kinderreim könnte es reichen: Er steht, der Deal mit Julie Teal, alle geraten in Ekstase. Doch die Fotze, dumm wie Rotze, jagt sich die Knete durch die Nase. «
»Das sind gute Nachrichten. Julie ist eine Riesennummer. Dein Name könnte für einen Kassenschlager stehen. Damit ist der Film so gut wie durchgewinkt. Und du bist unfair. Sie hat einen Entzug gemacht. Sie hat mit dem Koks abgeschlossen.«
»Was für vorwitzige Dinger! Schau dir das an, Braden. Was hältst du von diesen Nippeln? Mein Tipp: Bei dem Teint sind sie schokobraun.« Kennedy starrte immer noch verzückt quer durchs Restaurant.
»Und wir planen ein Dinner mit dir und Michael Curzon.« Mit dieser Bemerkung hatte Braden Kennedys Aufmerksamkeit gewonnen.
Kennedy wirbelte zu ihm herum. »Bitte, was? «
»Offenbar ist er ein Fan von dir. Er will dich kennenlernen.«
»Ihr habt ja wohl nicht alle Tassen im Schrank.« Kennedy spürte wieder, wie das Handy in seiner Sakkotasche vibrierte.
»Kennedy, die bezahlen dir fast eine Million Dollar für dein Drehbuch. Der Hauptdarsteller möchte das Brot mit dir brechen. Das kannst du nicht ablehnen, mein Freund.«
»So hab ich mir dieses beschissene Leben nicht vorgestellt.«
»Achtundneunzig Prozent der Bevölkerung würden töten, um dein Leben zu führen«, erwiderte Braden.
»Ich bin in der Hölle.«
»Nun reg dich mal ab, es ist bloß eine Verabredung zum Essen.«
» Bloß eine Verabredung zum Essen? Oh, tu bloß nicht so unschuldig, du durchtriebener Drecksack. Bloß eine Verabredung zum Essen? Das bedeutet, ich muss zwei Stunden lang mit einem … wie alt ist der Kerl?«
»Er ist sechsundzwanzig.«
»Scheiße. Gottverdammte Scheiße. Ich bin am Arsch. Zwei Stunden mit einem sechsundzwanzigjährigen Flachwichser, der darüber schwadroniert, wie er die Rolle ›einschätzt‹ und mir etwas von ›Motivation‹ und ›Vorgeschichte‹ erzählt? Eher würde ich ein beschissenes Schwein vögeln.«
»Anscheinend ist er ganz aufgeweckt.«
»Tatsächlich? Aufgeweckt? Alle Achtung, Braden, es war seit jeher mein Anspruch, man könnte sagen, mein Lebensziel, eines Tages, wenn ich hinlänglich hart gearbeitet, genug Bücher gelesen und reichlich Kohle gescheffelt habe, in die glückliche Position zu gelangen,
Weitere Kostenlose Bücher