Straight White Male: Roman (German Edition)
höhere Einnahmen.«
Lyons durchquerte den Raum und blickte aus dem Fenster auf die weißen, modernen Gebäude und den grünen Campus. Ein paar Studenten – diejenigen, die Prüfungen wiederholen mussten oder in Forschungsprojekte involviert waren – huschten mit Regenschirmen oder Lehrbüchern über dem Kopf durch den leichten Sommerregen. Hinter seinem Rücken wechselten Drummond und Millie einen Blick. »Und ja, sein Lebenswandel mag ein wenig … ungewöhnlich sein, wie sicher niemand besser weiß als Dr. Dyer hier. Und ja, wir könnten von jetzt bis zum Beginn des Semesters darüber debattieren, was nun genau Literatur ausmacht. Unabhängig davon bleibt aber unbestritten, dass der Mann überaus populär ist. Obwohl ich also« – er drehte sich zu ihnen um – »Ihre Vorbehalte und Bedenken im Privaten gerne zu teilen bereit bin, muss ich darauf bestehen, dass wir uns in der Öffentlichkeit einig sind, in Mr. Marrs Ernennung eine Bereicherung für unsere Universität zu sehen.«
Nach einigen Sekunden der Stille verschränkte Drummond die Arme, rückte seinen Stuhl vom Schreibtisch weg und sagte mit beleidigter Miene: »Na gut, als Leiter des Instituts muss ich wiederum darauf bestehen, dass ich den Vorschlag für seinen Lehrplan so schnell wie möglich vorgelegt bekomme. Die Literaturliste und alles Weitere.«
»Selbstverständlich.«
Angesichts der Wörter »Lehrplan« und »Literaturliste« huschte ein Lächeln über Millies Gesicht. Sie stellte sich Kennedy vor, wie er eine Literaturliste zusammenstellte, eine Vorlesung vorbereitete, die Arbeit eines Studenten las oder eine Hausaufgabe korrigierte.
»Na schön, es wird Zeit, dass ich weiterkomme. Also Kopf einziehen, Augen zu und durch. Sie wissen schon. Dr. Drummond. Dr. Dyer.«
Kaum war Lyons aus der Tür, sagte Millie zu Drummond: »Wissen Sie was? Das ganze Theater ist im wahrsten Sinne des Wortes rein akademisch.«
»Inwiefern?«
»Wenn Kennedy erst einmal erfährt, was diese Auszeichnung an Arbeit nach sich zieht, wird er den Preis um nichts in der Welt annehmen.«
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, seufzte Drummond.
fünfzehn
»Den … wie, ihr habt was? «
Braden und Connie trugen beide ein eingefrorenes, idiotisches Grinsen im Gesicht. Kennedy hatte noch nicht einmal einen Drink in der Hand. Man hatte ihm tatsächlich abverlangt, das alles ohne Alkohol zu ertragen.
Er war schon von Connies bloßem Anblick überrumpelt genug gewesen. In die Sonne blinzelnd war er aus der schummrigen Lobby des Chateau, wo er mit den Angestellten die üblichen, rituellen Nettigkeiten ausgetauscht hatte – trotz einiger Verfehlungen war Kennedy hier nämlich ziemlich beliebt –, die Stufen in den Garten im Innenhof heruntergekommen. Und da hatte sie gesessen. An einem der Tische unter dem Bogengang, gemeinsam mit Braden. Müde, aber strahlend wie der junge Morgen in ihrem mit sommerlichen Blumen verzierten Kleid und ihrem Strohhut. Ihr Glas Weißwein und ihr dickes Buch, das auf dem Tisch neben Bradens Mineralwasser und BlackBerry lag, versinnbildlichten perfekt den Unterschied zwischen der Welt der britischen und der amerikanischen Literaturagenten. Sie hatten sich umarmt, und er hatte sie gefragt: »Was zur Hölle machst du hier? Warum hast du mir nicht gesagt, dass du in der Stadt bist?« Daraufhin hatte Connie seine Hand genommen, ihn in einen der Korbsessel gedrückt und gesagt: »Pass auf, Darling, bei uns zu Hause ist etwas absolut Wunderbares passiert …«
In den zwei Minuten, die sie benötigt hatte, um alles zu erzählen, war es Kennedy gelungen, eine Kellnerin herbeizuwinken und den Martini zu bestellen, der nun drüben an der Bar für ihn zubereitet wurde, während Connie feixend seinen perplexen Gesichtsausdruck parierte.
»Ich meine – wer zum Teufel ist F. W. Bingham?«, fragte Kennedy.
Connie erklärte es ihm. Francis Weldon Bingham war Literaturprofessor an der Universität von Deeping gewesen, damals in den Dreißigerjahren, als die Einrichtung noch ein winziges College war. Als trinkfreudige alte Schwuchtel, die eine gute Party zu schätzen wusste, fand er besonderen Gefallen daran, prominente Gastdozenten einzuladen. »Im Grunde«, erklärte Connie, »war er ein besseres Groupie. Er zahlte den Großen und Begabten jener Tage enorme Summen, damit er sich in interessanter Gesellschaft besaufen konnte.« H. G. Wells, Scott und Zelda Fitzgerald, Huxley, Dorothy Parker, Hemingway und viele andere hatten während seiner Amtszeit
Weitere Kostenlose Bücher