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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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sagen: »Ist ja nicht meine Beerdigung«, worauf der Kellner verschwand, um Kennedys Wodka zu holen.
    »Kennedy, ich bin wirklich ein großer Fan von Undenkbar «, sagte Curzon. »Aber auch von Ihren anderen Werken. Ihren Romanen, den Drehbüchern …«
    »Danke sehr. Ich bin ebenfalls bekennender Bewunderer Ihrer Arbeit.« Kennedy knöpfte sich die Manschetten zu und beugte sich über den Tisch. »Aber kommen wir doch zur Sache, Michael. Was haben Sie auf dem Herzen?«
    »Ohne Umschweife zum Thema, was?«, lachte Curzon.
    »Bitte.«
    »Nun denn. Ich habe gehört, dass Sie ziemlich … na ja … direkt sind. Ich finde … im Drehbuch, das übrigens wirklich brillant ist … also, ich finde, die Beziehung zwischen meinem und Julies Charakter könnte noch ein wenig mehr Feuer vertragen. Sie wissen schon: die Chemie. Oder wie immer Sie es nennen wollen.«
    »Feuer?«
    »Genau.«
    »Die Chemie.«
    »Mmm.«
    »Verstehe«, sagte Kennedy und dachte nach. Oder vielmehr tat er so, als würde er nachdenken.
    »Ich habe das Gefühl«, sagte Curzon, »wir könnten dem noch eine Ebene hinzufügen. Dass …«
    Kennedy spürte, wie sich sein Rücken versteifte. Die Formulierung »eine Ebene hinzufügen« war äußerst beliebt bei Schauspielern, Produzenten, Regisseuren und Studiobossen, die darin wohl irgendeinen tieferen Sinn zu sehen glaubten. Tatsächlich bedeutete es nichts anderes als: »Wir treiben dich zum Wahnsinn, indem wir dich das Drehbuch zum zigsten Mal umschreiben lassen, bevor wir am Ende doch zu deiner ursprünglichen Fassung zurückkehren.«
    »Dass diese beiden unglaublich leidenschaftlichen Menschen«, fuhr Curzon fort, »nun ja, angesichts dieser Spannung, die zwischen ihnen auf dem Papier existiert, dass es im, ähm, im Sinne der Dramatik vielleicht überzeugender wäre, quasi kathartisch, wenn sie irgendwie …«
    Kennedy schaltete ab. Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie er selbst mit sechsundzwanzig gewesen war. Hatte er jemals solche Probleme gehabt, sich auszudrücken? Solche Schwierigkeiten, seine Vorstellungen zu formulieren? Irgendwann während Curzons gestammeltem, stockendem Monolog, randvoll mit schwachsinnigen Begriffen wie »Bögen«, »Reisen« und »Transformationen«, hatte sich ein großes Glas Wodka vor Kennedy materialisiert. Er stürzte die Hälfte des Inhalts mit einem Schluck herunter und hob dann den Finger, um Curzon in dessen endlosem Redefluss zu stoppen.
    »Sie wollen Julie also ficken, richtig?«, fragte Kennedy.
    »Entschuldigung?«
    »Im Drehbuch. Im Film. Sie wollen, dass Ihre Figur Julies Figur vögelt.«
    »Ich …«
    »In Ordnung«, sagte Kennedy, »ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Curzon hob die fein geschwungenen Augenbrauen. Offenbar hatte er mehr Widerstand erwartet.
    Warum kämpfen?, dachte Kennedy. Erzähl diesem notgeilen Idioten exakt das, was er hören will, und ignorier ihn dann einfach. Mach weiter, als wäre nichts gewesen. Er bezweifelte, dass Curzon die Eier hatte, ihn durch jemand anderen ersetzen zu lassen. Julie Teal hingegen … nun, da stand ihm noch ein Haufen Strindberg-Scheiße von ganz anderem Kaliber bevor.
    »Ich finde halt bloß, dass es, rein dramaturgisch gesehen, alles deutlich intensivieren würde – was die Aussage des Films angeht«, sagte Curzon, als das Essen serviert wurde.
    Kennedys Seebrasse war in Alufolie eingeschlagen, die verknitterten Ecken obenrum etwas geschwärzt und vom Ofen ein wenig angebrannt. Beim Öffnen schlug ihm aromatischer Dampf entgegen. Der Fisch war mit Chilis, Knoblauch sowie kleinen Kirschtomaten gefüllt und so perfekt gegart, dass er fast platzte.
    Diese Alufolie.
    Kennedy erinnerte sich, wie er Geraldine zum Essen eingeladen hatte. Am Flughafen von Dublin hatte er einen Mercedes gemietet, sie in ihrer winzigen Sozialwohnung abgeholt und zum Lunch ausgeführt. Wie lange war das jetzt her? Neun Jahre? Zehn? Er war damals vierunddreißig und für sein Alter schon überaus erfolgreich gewesen, allerdings auch noch angeschlagen wegen der Scheidung von Millie. Gerry war zwei Jahre jünger als er. Mum machte sich Sorgen, weil ihre Tochter so viel Gewicht verloren hatte, nie ans Telefon und häufig nicht mal an die Tür ging. Diesmal öffnete sie, ließ aber die Sicherheitskette vor. »Kennedy?«, sagte sie. »Du bist es. Scheiße, Mann, du hast mich zu Tode erschreckt.« Sie hatte ihre Verabredung vergessen. Ihm fiel auf, wie schreckhaft sie auf sein unerwartetes Klopfen reagierte. Er bemerkte die Trittspuren

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