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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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übertraf. Er ging schon auf die Barrikaden, wenn der Gin nicht kalt genug war. So oft, wie er sich im Verlauf eines durchschnittlichen Essens beklagte, hatte sein Bruder das in seinem ganzen Leben nicht getan.
    Weil dein Job so wichtig ist.
    Wie Patrick rang dieser Satz auch Kennedy ein bitteres Lachen ab, als er sich den Wodka aus dem Schlafzimmer-Kühlschrank ins Glas schüttete und dem Knirschen der Eiswürfel lauschte.
    Den wahren Grund dafür, dass er den Besuch bei seiner Mutter so lange hinauszögerte, würde ein überzeugter Atheist wie Kennedy niemals laut aussprechen. Denn er glaubte nicht an diesen spirituellen Mist. Trotzdem konnte er sich dieses einen seltsamen Gedankens nicht erwehren.
    Meine Mutter muss mich noch einmal sehen, bevor sie sterben kann.
    Wenn ich nicht zu ihr komme, kann sie nicht gehen.
    So einfach war das.
    »Entschuldigung, Mr. Marr?«
    Kennedy blickte von seinem Glas auf. »Ja?«
    Der Kellner, der ihn bei seiner Ankunft im Chav in Empfang genommen hatte – jung, unglaublich gut aussehend, manieriert, fast wie ein Schauspieler –, beugte sich vor und senkte auf grotesk dramatische Art seine Stimme, als er eindeutig schwer beeindruckt sagte: »Ihre Verabredung ist eingetroffen. Dürfte ich Sie bitte an Ihren Tisch führen?«
    Auf dem Weg durch den hinteren Speisesaal erwiderte Kennedy hin und wieder ein Nicken oder ein »Hallo«. An der Rückwand der allerletzten Sitzgruppe und – obwohl das Restaurant bis auf den letzten Platz ausgebucht war – allein an einem Tisch, der locker vier Personen Platz geboten hätte, saß Michael Curzon, der sich nun erhob, um ihn zu begrüßen. Kennedy zwang seine Gesichtszüge zu etwas, was annähernd an ein höfliches, wohlwollendes Grinsen erinnerte. Mit einem grauen Fleecepulli, dessen Kapuze er über den Kopf gezogen hatte, war Curzon recht gewagt gekleidet. Bevor er Kennedy die Hand entgegenstreckte, nahm er die Kapuze ab.
    »Michael. Hallo.«
    »Kennedy. Freut mich.«
    Curzons Gesicht, das Kennedy von der Leinwand kannte, war idiotisch, ja geradezu unanständig attraktiv. Alles daran – die Wangenknochen, Lippen, Kieferpartie, Nase, Bartstoppeln – sah aus, als wäre es direkt einer Blaupause mit dem Titel » FILMSTAR 200010877 « entsprungen. Die Augen waren grün wie ein Likör, wie Midori oder Absinth.
    Nachdem das Ritual des Händeschüttelns, bei dem sich ihnen die Köpfe der anderen Gäste dezent zuwandten, beendet war, ließ sich Curzon zurück ins Halbdunkel der Sitznische gleiten. Auf dem Tisch vor sich hatte er die übliche Ausrüstung ausgebreitet: Marlboro Lights, Mineralwasser, BlackBerry. Der Kellner reichte ihnen die Speisekarten. Er wirkte nervös und war sich der geballten Starpower am Tisch wohl bewusst. »Kann ich Ihnen noch etwas von der Bar bringen?«
    »Wodka, Eis, Zitronenschale«, sagte Kennedy.
    Curzon lächelte verhalten und beschied die Frage mit einem Kopfschütteln. Eine Geste, die so viel sagte wie: »Nein danke, für mich nicht. Aber der Kerl hier am Tisch ist kein Kostverächter, oder?« Was für eine kranke Stadt, in der man schon Cocktails wie Kokainpaste betrachtete.
    Kennedy überlegte es sich anders. »Machen Sie einen Doppelten draus«, sagte er. Scheiß auf diesen Typen. Scheiß auf ihn.
    Der Kellner notierte die Bestellung. »Wenn ich Sie dann noch auf unsere heutigen Tagesgerichte …« Diese Kellner in Los Angeles mit ihren endlosen Litaneien der »Tagesgerichte«. Allesamt Schauspieler, die einem beweisen wollten, dass sie Texte lernen konnten. Und die sich dabei redlich bemühten, Dramatik, Pathos und Humor in so aufgesetzte Formulierungen wie »auf einem Bett von«, »in der Pfanne gebraten«, »selbst geangelt«, »von der Weide« und »freilaufend« zu legen. Kennedy vermutete, dass Curzon noch vor gar nicht allzu langer Zeit selbst einer dieser Typen gewesen war. Bevor die unberechenbare Wahl des Ruhms auf ihn gefallen war, hatte er seinen knackigen Hintern in Kellnerhosen trainiert, Wassergläser aufgefüllt und Tagesgerichte heruntergeleiert. Curzon ließ den Kellner ausreden und bestellte dann einen Salat. Kennedy entschied sich für die gratinierte Seebrasse und orderte eine Flasche Sancerre zum Essen.
    »Äh, ich trinke keinen Alkohol«, sagte Curzon und betonte es wie eine Frage, der er genauso gut ein gestelztes »Hallo?« hätte voranstellen können.
    »Umso besser«, erwiderte Kennedy.
    Der Kellner blickte irritiert von einem zum anderen. Curzon zuckte mit den Schultern, als wollte er

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