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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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beeindruckt gewesen. Hatte tausend Fragen gestellt. Wollte wissen, was er erlebt und wen er alles getroffen hatte. Schwärmte von seinen Büchern. Hin und wieder, wenn sie lachte oder staunend »Und das stimmt auch wirklich?« fragte, schimmerte sogar die kleine Schwester durch, an die Kennedy sich erinnerte. Dann klingelte ihr Handy, und sie ging dran. Einen Moment lang hörte sie zu, dann brüllte sie los: »Jetzt hör mal zu, du dämlicher, kleiner Wichser. Ich komm mit Bill Williams bei dir vorbei, und wir schneiden dir die verfickte Kehle durch, du beschissener Schwanzlutscher. Wenn ich Freitag sage, dann meine ich auch Freitag. Nicht morgen. Nicht nächste Woche. Sondern scheiße noch mal Freitag. Kapiert? Also sieh gefälligst zu, dass du das gebacken kriegst, du gottverdammter Drecksack!« Sie drohte und fluchte hemmungslos weiter, als wäre Kennedy hinter dem Lenkrad unsichtbar geworden. »Kein Respekt? Wär dir das Pfft-pfft-pfft eines Schalldämpfers respektvoll genug? Oder ein verfickter Leichensack?«
    Nachdem Gerry fertig war, hatte Kennedy am Straßenrand gehalten und sie gleichermaßen erstaunt und entsetzt angestarrt. Er erkannte sie nicht mehr wieder.
    »Was zur Hölle war das gerade, Gerry?«, hatte er gefragt.
    »Was denn?«
    »Wer war das?«
    »Ach, nur so ein Idiot, der mal sehen wollte, wie weit er gehen kann. Rein geschäftlich. Willst du gar nicht wissen.«
    »Warum redest du so?«
    »Wie, so? «
    »Wie so ein blöder Gangster.«
    »Hey! Du hast doch keine Ahnung, was hier abgeht«, sagte sie gereizt und deutete mit einer vagen Geste durch die Windschutz scheibe auf Limerick, ein Bushäuschen, eine alte Dame, die auf dem Zebrastreifen mit ihrem Einkaufstrolley gegen den Wind ankämpfte. »Mit Höflichkeit kommt man hier nicht weiter.«
    Sie waren in einem Landgasthof abseits der Hauptstraße nach Shannon eingekehrt. Gerry hatte so gut wie nichts gegessen. Einen Löffel Suppe. Eine Gabel voll Kartoffelpüree vielleicht. Sie hatte an einem großen Bier genippt und Kennedy allein eine Flasche guten Claret geleert. Er hatte seine Schwester beobachtet, während sie mit ihm sprach. Den klobigen Ring, der an ihrer rechten Hand glitzerte. Die schwere goldene Gliederkette um ihren Hals. Die tätowierten Kirschen auf ihrem Handgelenk. Ihren misstrauischen Blick, sobald sich ihnen jemand näherte. Das tiefe Unbehagen, das sie in Anbetracht dieser Umgebung empfand, ob der Gläser, des silbernen Bestecks und der Bedienung am Tisch.
    Schließlich hatte er sie gefragt. »Gerry«, sagte er und beugte sich über den Tisch zu ihr hinüber, »was hast du vor?«
    »Häh?«
    »Mit dem Rest deines Lebens. Was willst du damit anstellen?«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, was immer du gerade machst … offenbar läuft es gerade nicht sonderlich gut für dich. Als du noch klein warst, was wärst du da gerne geworden? Ich meine, was wäre dein Traumjob gewesen?«
    Sie sah ihn an, als hätte er völlig den Verstand verloren.
    »Du spinnst doch«, lachte sie.
    »Im Ernst«, sagte Kennedy.
    »Mein Traumjob? Scheiße, keine Ahnung. Manchmal denke ich, dass ich vielleicht ganz gern Krankenschwester geworden wäre.« Sie sagte das fast entschuldigend, als gehörte es ins Reich des Fantastischen. Als hätte sie ebenso gut davon träumen können, Vorstandsvorsitzende bei Vodafone zu werden. oder Premierministerin. Oder Astronautin. »Aber dafür braucht man beschissene Examen und so was. So wie du sie hast.« Sie schwenkte eine Pfütze Bier in ihrem Glas.
    »Das ist doch nicht unmöglich. Du bist erst zweiunddreißig. Geh wieder zur Abendschule und mach dein …«
    »Ja, schon möglich«, sagte Gerry gelangweilt. Das Thema schien sie schon nicht mehr zu interessieren.
    »Ich würde dir helfen.«
    »Ach ja?«
    »Na klar.«
    »Also gut, pass auf, wenn du mir helfen willst. Ich hab da gerade ein Problem. Die Sache da in deinem Auto. Das, na ja, das war nicht meine Schuld, aber …«
    Kennedy hörte zu. Er nickte, wobei ihm allmählich klar wurde, dass Gerry längst ihren perfekten Job gefunden hatte. Er bestand darin, auf dem Kunstledersofa herumzuliegen, Dope oder Heroin zu rauchen und mit der Xbox zu daddeln. Er hörte zu, wie sie ihm eine dieser Geschichten erzählte, die sie ihm schon seit über zehn Jahren auftischte: im Prinzip allesamt Varianten eines Films mit dem Titel Das todsichere Ding läuft schief . Er nickte wieder. Er stellte ihr einen Scheck über zweitausend Pfund aus. Sie umarmte ihn mit Tränen der Dankbarkeit

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