Straight White Male: Roman (German Edition)
behandeln. Ich finde, das ist keineswegs unzumutbar.«
Drummond schnaubte. »Unzumutbar, ja?« Er klatschte eine letzte, aufgeschlagene Zeitung auf den Schreibtisch, machte auf dem Absatz kehrt und ging.
Der Dekan musterte das Blatt namens Star . Es war ihm unbekannt. Wie der Morning Star , für den John Pilger und George Orwell geschrieben hatten, sah es jedenfalls nicht aus. Den doppelseitigen Bericht über Kennedy zierte die Fotografie einer barbusigen jungen Frau sowie eine des Autors auf dem roten Teppich an der Seite irgendwelcher Schauspieler, die dem Dekan nichts sagten. Ein eingeklinktes Polizeifoto zeigte einen reichlich lädierten Kennedy nach einer Verhaftung in Los Angeles vor ein paar Jahren. In der Bildunterschrift hieß es unter anderem: »… wurde in West Hollywood wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen … Kokainbesitz … öffentliche Ruhestörung unter Alkoholeinfluss …« Unter dem Bild der jungen Frau stand: »Der dem Alkohol nicht abgeneigte Schriftsteller, 44, arbeitet in den Pinewood Studios mit Sexikone Julie Teal an ihrem neuen Film.« Die Fotografie entstammte einem von Julie Teals frühen Filmen.
Das Telefon klingelte. »Hallo?«
»Tut mir leid, Sie zu stören, Sir, aber ich habe Miss Welles vom Immatrikulationsdienst des Studiensekretariats in der Leitung.«
»Danke, Camilla. Stellen Sie sie bitte durch.« Der Dekan hörte erst schweigend zu. Dann sagte er: »Tatsächlich? Nun dann, das sind doch mal interessante Neuigkeiten. Äußerst interessante Neuigkeiten.«
achtundzwanzig
Das ist schon deutlich mehr nach meinem Geschmack, hatte Kennedy gedacht, als er den Flur entlangging. Im Gegensatz zu all den anderen Überraschungen, die er zuletzt hatte erleben dürfen, war diese endlich einmal eine der angenehmeren Art gewesen: eine wunderschöne georgianische Villa aus hellem Cotswold-Kalkstein auf einem gut anderthalb Hektar großen Grundstück.
»Krasse Scheiße. Darin lässt es sich leben, was?«, hatte Keith beim Anblick des Hauses gesagt. Noch mehr hatte ihn allerdings der blassblaue Aston Martin beeindruckt, der auf seinen dicken Reifen am Ende der langen geschotterten Zufahrt stand. »Verdammte Axt, ein DB9? Ist das Ihre Kiste?« Respektvoll war er um den Wagen herumgegangen und hatte jede Kante und Kurve begutachtet, wie jemand, der eine wertvolle Skulptur im Met oder Guggenheim Museum bestaunt. Mit den Worten »Hier hat jemand ’ne kleine Schramme reingemacht« hatte Keith entrüstet einen fast unsichtbaren Kratzer kommentiert.
Einigermaßen erholt, nachdem er die ganze Fahrt über in tiefen Schlaf versunken war, hatte Kennedy ihm ein großzügiges Trinkgeld gegeben und seine Visitenkarte eingesteckt. Einer wie Keith konnte für jemanden wie Kennedy hier auf dem Land, wo ohne Auto gar nichts ging, vermutlich äußerst nützlich sein.
Zumal bei Kennedy ohne Alkohol gar nichts ging.
In der Küche hatten diverse prall gefüllte Präsentkörbe des F.-W.-Bingham-Komitees, des Dekans von Deeping und von Connie auf ihn gewartet, denen er die Zutaten für den wohltuenden, selbst kreierten Mittagscocktail zu verdanken hatte, an dem er gerade nippte: einer Bloody Mimosa aus Champagner und Tomatensaft. Auf seiner Erkundungstour durch das Haus erblickte er zu seiner Rechten ein komfortabel aussehendes Studierzimmer, dann einen Salon, eine Art Hauswirtschaftsraum inklusive Waschmaschine, Trockner und Bügelbrett sowie ein tiefrot gestrichenes Esszimmer mit einem Refektoriumstisch für zwölf Personen, bei dessen Anblick ihn kurz die Panik befiel, es könnten Gastgeberqualitäten von ihm erwartet werden. Kennedy schritt die drei Stufen zum Wohnbereich hinunter und pfiff anerkennend durch die Zähne. Vor ihm erstreckte sich ein langer, tiefer, mit Eichenpaneele verschalter Raum, von dessen vollverglaster Rückwand sich ein überwältigender Blick auf das Grundstück auftat. Auch die Einrichtung war vom Allerfeinsten: In dem offenen Kamin hätte ein erwachsener Mann aufrecht Platz gefunden. Zwei große, mit karamellfarbenem Leder bezogene Sofas standen einander gegenüber, dazwischen ein niedriger Couchtisch aus Teakholz, an sämtlichen Wänden Bücherregale und weiter hinten, zwischen zwei Lehnsesseln, ein antikes Schachtischchen. Am anderen Ende erblickte er ein Piano und vor den Fenstern einen Eames Chair mit dazugehöriger Fußbank, der dazu einlud, es sich mit einem Buch bequem zu machen und die Aussicht zu genießen. Und die hatte es in sich: nicht ein einziges weiteres
Weitere Kostenlose Bücher