Straight White Male: Roman (German Edition)
beim Rausgehen. »Ich finde es eigentlich ziemlich süß.«
»Was?«
»Dass einer wie Sie – gefeiert, erfolgreich, bewundert und so – nervös ist, weil er Studenten unterrichten soll.«
»Ich bin nicht … nervös.«
»Soso. Dann ist’s ja gut. Bis morgen dann.«
Nachdem Angela gegangen war, beschloss Kennedy, sich einen runterzuholen und dann schlafen zu gehen.
Während er es sich besorgte, erregte etwas seine Besorgnis. Nicht die Bilder auf dem Monitor seines Laptops, so besorgniserregend extrem die auch waren. Auch nicht der Umstand, dass er, ein gefragter und durchaus angesehener Mann, am helllichten Nachmittag, an einem Werktag noch dazu, hier auf dem Fußboden seines Arbeitszimmers lag und wie ein Irrer sein Würstchen bearbeitete, als hinge sein Leben davon ab. Nein. Es war dieses Sandkorn unter der Haut, unten, an der Peniswurzel, das ihm bereits vor ein paar Monaten in Los Angeles aufgefallen war. Es fühlte sich geringfügig größer und jetzt mehr wie ein Reiskorn an. Wenig später, als er sich schnaufend säuberte, drückte und quetschte er an der Stelle herum, wo er es gespürt hatte. Aber da war nichts mehr. Offenbar war es mit der Erektion wieder verschwunden.
Sein Handy erwachte klingelnd zum Leben. »Hallo?«
»Ein gelungener Auftritt, das muss ich schon sagen. Du hast es sogar hier drüben in die Zeitungen geschafft.«
»Patrick. Ich …«
»Wie geht’s dir?«
Kennedy betrachtete die matt glänzende Schmach auf seinem Unterleib. »Ähm, ganz gut. Ich bin nur ein wenig … müde. Hat Mum etwas davon mitbekommen?«
»Nein. Was das betrifft, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
»War übrigens nicht meine Schuld.«
»Na klar, wie üblich. Aber egal, ich will dich nicht lange aufhalten. Ich frag mich nur, ob du jetzt, wo du wieder hier bist, schon darüber nachgedacht hast, Mum zu besuchen?«
»Sicher, warte, ich schaue nur kurz im Kalender nach. Wie wär’s mit dem …« Er überlegte. Nenn ihm einfach irgendein Datum, nicht zu früh und auch nicht zu spät. »Ich muss noch eine Menge lesen, bevor die Studenten eintrudeln, und in der ersten Woche des Semesters ist vermutlich die Hölle los …«
»Mmm.«
»Wie wäre es heute in drei Wochen?«
»Freitag, der 18. Oktober?«
»Genau.«
»Wenn du wirklich nicht früher kannst, dann gerne. Ich sag ihr Bescheid.«
»Danke, Patrick. Wie geht es ihr?«
»Ach, an sich geht es ihr so weit ganz gut. Sie fühlt sich wohl im Krankenhaus, der Trubel dort gefällt ihr. Nur dass sie immer noch nichts isst.«
»Verdammt.«
»Also gut, ich lass dich jetzt in Frieden. Wir sehen uns am 18. Oktober.«
»Mach’s gut, Patrick.«
In einem Fleckchen Sonne auf dem Teppich liegend, wurde Kennedy vom Schlaf übermannt. Seine Hose hing ihm auf den Knöcheln, und auf seinem Bauch klebte ein zusammengeknülltes Kleenex wie ein halb geschmolzener Schneeball.
neunundzwanzig
»Geile Hütte, Dad! Die ist ja gigantisch groß!«, rief Robin. »Und übrigens: Dieses Auto ist echt voll krass .« Sie hüpfte vor ihnen den Korridor hinunter und steckte immer wieder ihren Kopf in irgendwelche Zimmer. Millie und Kennedy folgten ihr mit ein paar Metern Abstand.
»Mmmh«, sagte Millie. »Glaub ja nicht, dass dieses Haus bei den Normalsterblichen nicht für den einen oder anderen Kommentar gesorgt hätte.«
»Ach ja?«
»Hast du eine Vorstellung davon, was es kostet, diesen Protzbau bis nächsten Mai zu mieten? Davon hätte man zwei neue Doktoranden anstellen können.«
»Aha, aber braucht die Welt wirklich noch mehr Dissertationen zum Thema ›Unstimmigkeiten in den Schriften von Beda dem Ehrwürdigen‹? Und hätten eure Doktoranden dem Fachbereich Englisch ›einen achtzigprozentigen Anstieg bei der Zahl der Studienbewerber‹ eingebracht? Hätten sie vielleicht für ein ›noch nie dagewesenes Medieninteresse‹ gesorgt?«
»Oh ja, ›Drunk On Arrival‹«, konterte Millie nun ebenfalls mit Zitaten. »Oder ›Autor wegen Prügelei über den Wolken angeklagt‹. Du hast das Image von Deeping aufgewertet, kaum dass du hier gelandet bist, nicht wahr?«
»Kritiken liest man nicht, man wiegt sie, Millie.«
Sie hielten vor der Tür zu seinem Studierzimmer und blickten hinein. Da standen sie: seine schrecklichen Twin Towers der Pein, zweihunderttausend Wörter, zeitig heute Morgen von Angela angeliefert und nun auf seinem Schreibtisch zu zwei imposanten Stapeln arrangiert. Das sollte er alles lesen? Welch ein Graus! Kennedy konnte den bloßen Anblick
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