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Strandglut 27 Short(s) Stories

Strandglut 27 Short(s) Stories

Titel: Strandglut 27 Short(s) Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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war das?" fragt Elmar.
    "Der schwarze Mann!"
    "Ein Bettler?"
    "Ja, der schwarze Mann!"
    Ich zittere am ganzen Körper, obwohl es immer noch heiß ist.
    "Er hatte eine Sichel. Er wollte mich töten."
    "Mensch Ulli, das ist ein Kriegsinvalide. Der hat eine
    Prothese, weil sie ihm den Arm abgeschossen haben."
    Ich fange an zu weinen. "Er wollte mich töten, ganz
    bestimmt", schluchze ich.
    Elmar nimmt mich in den Arm. "Wir müssen ihm helfen, der kommt da nicht mehr raus."
    "Nein, bitte, Elmar, nein, ich gehe nie wieder in die Trümmer", stammle ich.
    "Hör mal, wir müssen die Polizei rufen, der Mann erstickt da unten."
    "Er wollte mich töten!", weine ich.
    "Polizei?" Mit einem Mal sind meine Tränen verschwunden.
    "Bist Du wahnsinnig, wenn mein Vater erfährt, dass ich in der Trümmer war, dann kriege ich vier Wochen Stubenarrest."
    Elmar wiegt sich auf der Friedhofsmauer hin und her.
    "Wir können ihn da unten nicht liegen lassen. Die halbe
    Trümmer ist in sich zusammengestürzt."
    "Und was willst Du sagen, warum Du da warst. Dass wir
    geraucht haben? Vergiss es!"
    "Vielleicht ist er von den Steinen erschlagen worden."
    "Er ist wahrscheinlich sowieso tot. Er war unter einem
    Deckenbalken eingeklemmt."
    "Deshalb hat er wohl geklopft. Er hat gehofft, dass ihm
    jemand hilft."
    Mit einem Ruck setzte ich mich kerzengerade auf.
    "Elmar, versprich mir, dass Du niemandem erzählst, was
    wir heute erlebt haben. Niemandem, nicht Deinen
    Geschwistern, nicht Deinen Eltern und schon gar nicht der Polizei. Versprich es."
    Elmar schaut mich lange und zweifelnd an.
    "Versprich es!", drängle ich.
    "Na gut, es bleibt unser Geheimnis."
    „Auf immer und ewig?"
    "Auf immer und ewig."
    Bevor wir uns trennten, haben wir noch ein paar wilde Blätter gekaut, gegen den Rauchgeruch. Von meiner Haustür aus habe ich ihm zugewinkt und dann verschwand Elmar aus meinem Leben.

    Ich stopfe alle Bilder wieder in die Schachtel und mache den Deckel fest zu. Es hat aufgehört zu regnen, die Sonne kommt durch. Mit einem Glas Wein setzte ich mich auf die Terrasse und lausche den Vögeln. Sie zwitschern wie damals auf der Beerdigung.

    Halb Dortmund war zu Elmars Beerdigung gekommen. Bis die letzten Kriegsnarben verschwanden, musste Elmar als abschreckendes Beispiel dafür herhalten, was passiert, wenn ein Kind in den Trümmern spielt und eine nicht entschärfte Bombe auslöst.
    Wobei nie herausgekommen ist, was ein neunjähriger Junge um halb zehn Uhr abends in einer Trümmer zu suchen hatte. Das blieb unser Geheimnis - auf immer und ewig.

Das Porzellanpüppchen

    „Verdammt, ich lieb dich, ich lieb dich nicht.“ Martin summte den alten Schlager, der von der Autoscooterbahn herüberschallte, mit. Das Festzelt spuckte grölende Jugendliche, Blasmusikklänge und den Geruch nach Würstchen und schalem Bier aus. In die Drehorgelklänge des Karussells mischte sich das Kreischen der Menschen auf der Achterbahn. Das Karussell mit seinen abgewetzten Schimmeln und nostalgischen Wagen, in denen jauchzende Kinder schneller und immer schneller gedreht wurden, schien ihm der aussichtsreichste Platz. Er hatte direkt gegenüber an einer Bude Position bezogen und schlug Nägel in einen Balken.
    „Hey, das kannst du gut“, sagte ein Mädchen neben ihm.
    Martin drehte den Kopf und sein Herz machte einen Sprung.
    „Du kannst Dir schon mal aussuchen, was Du haben willst“, sagte er.
    Amüsiert beobachtete er, wie die Kleine mit leuchtenden Augen die Gewinne betrachtete. Da gab es Kaffeemaschinen, rote Plastikfische in Gläsern, grüne Bärchen und Dosen mit Schmalzfleisch.
    „Die Porzellanfigur“, entschied sie ohne zu zögern.
    „Die Lady hat einen guten Geschmack. Wie viele Nägel muss ich mit einem Schlag reinhauen, um die Porzellanpuppe zu bekommen?“, fragte er den Schausteller.
    „Achtzehn auf zwanzig.“
    „Na, da muss ich mich ja ranhalten“, sagte Martin und reichte dem Mann einen Geldschein. Und dann schlug er los. Bum, bum, bum.
    „Cool, das schaffst Du locker“, freute sich die Kleine.
    Bum, bum, bum. „Wie heißt Du eigentlich?“
    „Ich bin die Hanna und du?“
    „Martin“.
    Bum, bum, bum. Hanna klatschte in die Hände. Zum Schluss zählte sie laut mit: Sechszehn, siebzehn, achtzehn! Wow!“
    Nicht ohne Stolz überreichte er ihr die Porzellanfigur.
    „Sie sieht ein bisschen aus wie du.“ Martin betrachtete das Mädchen an seiner Seite. Spuren rosagefärbter Zuckerwatte klebten an ihrer Stupsnase und in den dunkelblonden

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