Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
gleichzeitig teuer und lässig. »Warst du auch schön brav? Das möchte dein Schutzengel wissen.«
Ich starrte Christophe mit leicht geöffnetem Mund an und dachte, dass ich wohl völlig lächerlich aussehen musste, während er die Vorhänge zuzog und das Zimmer dunkel wurde.
»Mann, wo bist du gewesen?«, flüsterte ich. Das dürfte die mit Abstand dämlichste Frage von allen gewesen sein, aber sie kam geradewegs aus meinem Mund.
»Hier und da, da und hier.« Mit langen federnden Schritten durchquerte er das Zimmer, blieb an der Tür stehen und berührte das Kettenschloss, das Stangenschloss sowie den Riegel, den ich vorgeschoben hatte, ehe ich mich schlafen legte. »Sehr gut, dass du die Tür verriegelt und die Wände geschützt hast. Das unvorsichtige kleine Mädchen hat dazugelernt.«
Ich war nie unvorsichtig! Aber es gab Wichtigeres zu besprechen. Sämtliche Fragen, die in den letzten anderthalb Wochen unbeantwortet geblieben waren, drängten sich um einen Platz vorn in der Schlange, aber zwei gänzlich sinnlose schafften es an die vorderste Stelle. »Wo ist mein Truck? Wo sind all meine Sachen?«
Na ja, vielleicht waren sie nicht sinnlos, trotzdem hätte ich etwas anderes fragen können, zum Beispiel: Wieso hast du mir nichts von dem Bluthunger erzählt? Oder: War das hier das Zimmer meiner Mutter? Oder sogar: Warum kommt es mir vor, als hätten sie hier auf mich gewartet? Was hast du ihnen erzählt? Wieso wollen sie mir nichts Richtiges beibringen?
Christophe drehte sich auf einem Absatz um, schaute sich noch einmal im Zimmer um und schließlich wieder zu mir. Ich hockte nach wie vor neben meinem Bett, das Messer in der einen Hand. »Ich habe gut auf deine Sachen aufgepasst, Kleines. Der Truck steht unter einem anderen Namen in einem Lagerraum weiter im Süden im Warmen und Trockenen.« Er lüpfte eine elegante Braue. »Haben Sie dir nichts anzuziehen gegeben? Kein Einkaufskonto?«
So heiß, wie meine Wangen wurden, wunderte mich, dass sie nicht glühten. Ich richtete meine Sachen und widerstand dem Wunsch, an meinen Boxershorts zu zupfen. Sich den Stoff aus der Poritze zu zurren, wirkte ja wohl derart inkompetent! »Klar haben sie! Aber ich habe geschlafen. «
»Ja, süß und selig in deinem kleinen blauen Nest. Ich frage mich, warum sie dich hier untergebracht haben.« Als er sich schüttelte, flogen Wassertropfen in alle Richtungen. Er war klatschnass. »Hast du mich vermisst?«
Oh, bitte! Ich legte das Messer auf den edlen kleinen Nachtschrank und zog den Saum meines Trägershirts herunter. »Ich hol dir ein Handtuch und zieh mir was an. Dann können wir …«
Ein sehr blauer Blick, dann strich er sich das Haar mit steifen Fingern nach hinten und blickte sich abermals im Zimmer um. »Ein Handtuch wäre nett, aber du brauchst dich nicht anzuziehen. Du gehst nirgends hin.«
Schweigen. Er sah mich stumm an, ich ihn, und meine roten Wangen wurden spürbar blasser. Der Apfelgeruch füllte die Luft zwischen uns aus, und auf einmal war ich ziemlich froh, dass ich nicht irgendwo blutete oder auch bloß irgendwo verschorfte Stellen hatte. Immerhin wusste ich, wie stark und schnell Christophe war. Sollte er plötzlich Appetit auf mein Blut bekommen, was könnte ich schon tun?
Was mich auf einen ganz anderen Gedanken brachte: Könnte Irving mich absichtlich geschont haben? Und falls nicht, falls also Christophe stärker als er war, wie zur Hölle konnte er das sein?
Wie alt war dieser Djamphir, der mich gerettet hatte? Er war offensichtlich ein »Berater«, und die waren für gewöhnlich älter.
Älter im Sinne von sehr viel älter.
»Es gibt eine Menge Dinge, von denen du mir nichts gesagt hast.« Ich bemühte mich, vorwurfsvoll zu klingen. Leider wurde mir plötzlich allzu bewusst, dass mein Trägershirt mir am Leib klebte und kühle Luft über meine nackte Haut strich. Meine Beine fühlten sich sehr lang, sehr hager und ziemlich unrasiert an.
Na und? Ich hatte sowieso immer Jeans an. Wachsen würde ich mich nicht einmal für Geld, und wer hatte denn die Zeit, sich jeden Tag mit einem Rasierer zu bearbeiten? Als wir noch in den Südstaaten wohnten, war ich natürlich nie so nachlässig gewesen, aber nachdem wir zu den Eisbären gezogen waren und ich feststellte, dass ich weit tiefer in der Echtwelt steckte, als ich je angenommen hatte, blieb mir nicht mehr viel Freiraum zum Enthaaren.
Ich nahm mir allerdings vor, mir künftig wieder die Zeit dazu zu nehmen. Meine Wangen waren schlagartig wieder
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