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Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili St. Crow
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Ahnung, wer sie waren oder wie ich mir sicher sein konnte, dass sie meine Witterung entdeckt hatten. Ich wusste es einfach, so wie man wusste, dass man atmen oder die Hand vom heißen Herd zurückziehen musste. Oder wie ich wusste, dass ich die ekligen Dampffäden meiden sollte, die aus der Erde aufstiegen.
    Und wie ich wusste, dass ich weiterlaufen musste, egal, wie oft ich stürzte. Ich stolperte und krabbelte weiter. Das weiche, unbarmherzige »Uuoh? Uuoh?« der Eule hallte durch den Wald und von den starrgefrorenen kahlen Baumstämmen wider. Auf der laubbedeckten Erde war ein halb überwachsener Trampelpfad zu erkennen. Ich brach durch die Eisschicht auf einer tiefen Pfütze und rang nach Luft, als das mörderisch kalte Wasser meine Knöchel umklammerte, sprang und landete ungeschickt, so dass ich mir beinahe den Fuß verdrehte und eilig weiterhumpelte. Die Eule schrie wieder: Schneller, Dru!
    Noch ein unmenschliches Heulen gellte durch die Nacht und bohrte sich mit rasiermesserscharfen Klauen in den Bereich hinter meinen Augen. Ich stieß einen dünnen kläglichen Laut aus und torkelte vorwärts, wobei ich mir den Kopf mit beiden Händen hielt, bis der Schmerz mitten in dem Geheul verschwand, wie weggeknipst.
    Was zur Hölle war das? Aber ich hatte keine Zeit, es herauszufinden. Ich zog mich zu einer Faust in meinem Kopf zusammen, wie Gran es mir beigebracht hatte. Als noch ein Schrei in die Nacht aufstieg, irgendwo links von mir und ziemlich weit weg, schabte er nicht mehr in meinem Schädel. Er streifte mir stattdessen grob über die Haut, ähnlich einem säuregetränkten Dornenzweig. Und hätte ich mich nicht nach vorn geworfen, hätte ich wohl vor Schreck und Schmerz gebrüllt.
    Das war das Problem, wenn man sich mit der Echtwelt einließ: Sobald man drin war, konnte man sie nicht mehr einfach aussperren und in den Alltag zurückkehren. Nein, man blieb dabei, nachts durch den Wald zu rennen und einen Beinbruch oder Schlimmeres zu riskieren, während man von irgendetwas Furchtbarem gejagt wurde.
    Der schmale Pfad wurde immer verwachsener und verlor sich schließlich im Unterholz, wie es falsche Wege im Wald zu tun pflegten. Eben dachte man noch, man müsste bloß dem Weg folgen und käme schon an irgendeine Stelle zurück, die man kannte; im nächsten Moment sprang man zur Seite, um Nebel auszuweichen, der sich nicht so bewegen dürfte, wie er sich bewegte, stolperte in ein freundliches Dornengestrüpp und fragte sich, was zum Teufel passiert war.
    Nur waren diese Sträucher keine Freunde, wenn man um sein Leben rannte. Sie bohrten sich durch die Klamotten, rissen an der Haut, und bis man sich fast freigekämpft hatte, waren die Schritte hinter einem sehr viel näher. So nahe, dass man jede Gewichtsverlagerung, jedes Knacken von kleinen Zweigen, jedes Quatschen von Modder auf dem Waldboden hörte. Was da auch kam, es sprang höher und schneller, als ein Mensch es jemals könnte.
    Grans Eule war nirgends mehr zu sehen. Ich erstarrte, gefangen in einem Haufen dorniger Ranken, und versuchte, mein Keuchen zu unterdrücken. Meine Lunge brannte, und mein Herz war drauf und dran, mir den Brustkorb zu sprengen und zu fliehen.
    Trotzdem bemühte ich mich, ruhig und leise zu sein. Sträucher knacksten, Dornen ratschten. Einer von ihnen stach mir kalt in die Wange. Ich lag eingefangen auf der Seite und wollte die Augen schließen, aber die Vorstellung, mit geschlossenen Augen im dunklen Wald zu sein, war nicht so berauschend.
    Sogar der Nebel brachte nun Geräusche hervor: ein leises Raspeln wie Schuppen an Glas.
    Meine Hüfte, die auf die kalte Erde gepresst war, wurde beinahe taub. Nässe kroch mir in den Pulli und die Jeans. Eine Wolke hing vor meinem Gesicht – mein eigener milchig-durchsichtiger Atem.
    Die Schritte glitten um mich herum. Es schienen zwei Beinpaare zu sein, die einander umkreisten. Ich kniff die Augen zusammen, verlor abermals den inneren Kampf gegen mich und öffnete sie wieder. Ein Dornenzweig drückte mir hinten auf den Pullover. Meine Turnschuhe waren durchnässt und meine Füße so kalt, dass ich kein Gefühl mehr darin hatte.
    Knacken. Brechende Zweige. Mondlicht tröpfelte herein und ließ falsche Farbpunkte vor meinen lichtentwöhnten Augen wirbeln. Der schmierig-weiße Dampf kam auf mich zu, drang durch Zweige und lagerte sich mit dem scheußlichen leisen Geräusch auf dem gefrorenen Laub ab.
    Leichte schleichende Bewegungen unter dem Knacken. Ich konnte nicht sagen, woher sie kamen, und

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