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Straße der Diebe

Straße der Diebe

Titel: Straße der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Enard
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schließlich wissen, was er tat.
    »Kann ich die Arbeit mit nach Hause nehmen?«
    »Ja, selbstverständlich. Aber aus Steuergründen müssen Sie hier im Haus mindestens fünf Stunden täglich arbeiten.«
    »Einverstanden.«
    Bei der Sekretärin unterzeichnete ich den Vertrag, den ersten in meinem Leben.
    »Gut, dann bis Montag. Willkommen bei uns.«
    »Bis Montag, ja. Und danke.«
    »Wir danken Ihnen.«
    Ich ging mich von Jean-François verabschieden, er drückte mir die Hand, bis nächste Woche dann, sagte er.
    Und ich fuhr nach Tanger zurück. Auf der Fahrt glänzte das Meer.
    Morgen würde Judit ankommen. In vierzehn Tagen würde ich zwanzig sein. Die Welt war eine seltsame Mischung aus Ungewissheit und Hoffnung.
    Die Zeitung brachte noch immer keine Neuigkeiten über die Urheber des Attentats von Marrakesch.
    Es war also fast sieben Uhr, als ich im Viertel ankam; die Nacht brach an. Ich hatte die Zeit genutzt, um mir einen Plan zu machen. Zuerst wollte ich einige Dinge klären; ich war voller Energie. Ich suchte noch einmal den Buchhändler auf.
    Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut, als ich vor seinem Laden stand; die Auslagen standen nicht draußen, aber der Rollladen war hochgezogen. Ich hatte einen Kloß im Hals, ich fasste mir ein Herz und drückte die Tür auf; immerhin war ich hier Stammkunde, seit ich fünfzehn oder sechzehn war, das wollte ich mir von Cheikh Nouredine nicht nehmen lassen.
    Der Typ saß hinter seinem Schreibtisch, er hob den Kopf; die Überraschung war ihm ins Gesicht geschrieben, dann Hass, Misstrauen oder Mitleid. Ich war darauf vorbereitet, beschimpft zu werden; ich hatte mir vorgestellt, dass er mir verzeihen würde, wenn ich ihn darum bitten würde, und dann hätten wir uns unterhalten wie früher. Er schwieg weiter, fixierte mich mit gerunzelten Brauen, sagte kein Wort; er betrachtete mich in meiner ganzen Torheit, ertränkte mich in meiner Feigheit; von Scham erdrückt, wurde ich immer kleiner; ich konnte nichts sagen, schaffte es nicht, den Umschlag mit dem Geld hervorzuholen, den ich in meiner Naivität für ihn vorbereitet hatte, ich murmelte ein paar Worte, Guten Tag, Entschuldigung, die Stimme versagte mir, und ich machte auf dem Absatz kehrt, einmal mehr ergriff ich die Flucht, auch vor mir selbst; ich rannte weg; es gibt Dinge, die sind nicht wiedergutzumachen. Im Übrigen: Nichts ist wiedergutzumachen. Als ich aus dem Laden stürmte, dachte ich, er würde mir nachlaufen, »komm zurück, Kleiner, komm zurück« rufen, aber nein, natürlich nicht, und wenn ich heute daran zurückdenke, ist es nur logisch, dass er nur Verachtung, aber keinerlei Mitleid für einen Jungen übrighatte, der nicht mehr zu retten war, der sich für den Knüppel und Cheikh Nouredine entschieden hatte. Ich hastete zurück zum »Haus der Verbreitung«, meine Schuld verwandelte sich in Aggression, im Stillen beschimpfte ich den armen Kerl, meine Güte, was hatte mich nur geritten, dorthin zurückzukehren, und zwei kleine Tränen der Wut stiegen in meine Augenwinkel, an diesem Abend lag Rauch in der Luft, ein dichter weißer Rauch, der mit Ascherückständen vermischt war, die der Wind verteilte; die Frühlingsluft war schwer vom Dampf der Wut, der Geruch nach Versengtem breitete sich in meiner Kehle aus, aber erst als ich an der Straßenecke war, als ich den Menschenauflauf und die Löschfahrzeuge sah, begriff ich, dass das »Haus der Verbreitung des koranischen Gedankenguts« brannte; mehrere Meter hohe Flammen schlugen aus den Fenstern und leckten am oberen Stockwerk des Gebäudes; von außen löschten die Feuerwehrleute mit ihren Spritzen die Gebäudeöffnungen, Münder, aus denen Flammen züngelten, die Tonnen von halb verbrannten Papierschnipseln ausspuckten, während ein Trupp von Polizisten mehr schlecht als recht versuchte, die Menge von dem Unglück fernzuhalten. Hunderte von Büchern gingen in Rauch auf, schwängerten die Luft bis Larache oder Tarifa; ich stellte mir vor, wie die Sichthüllen schmolzen, wie die Hitze die zusammengepressten Seiten der aufgestapelten Werke angriff, die schließlich selbst das Zerstörungswerk übernahmen und auf ihre Nachbarschaft übertrugen, ich konnte mein Lager genau sehen, neben diesem Fenster lagerte der Vorrat von Heldinnen , von Sexualität und allen kleinformatigen Handbüchern, weiter hinten Kubikmeter von Koran-Kommentaren und in der Mitte, auf den Kunststoffteppichen, die sich wahrscheinlich bereits verflüssigt hatten, meine Kartons mit der

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