Straße der Diebe
Ez-Zitouna-Moschee, ganz zu schweigen von Judit, die zwar keine Muslimin, aber voller Respekt für die Religion war und zahlreiche Abschnitte des Korans auswendig konnte. Aus Solidarität bin ich also auch draußen geblieben und habe den berühmten Hof mit den antiken Säulen und die Gebetsräume der bekanntesten Moschee im Maghreb nicht gesehen, so viel war mir nicht daran gelegen. Eigentlich war ich nur da, um mit ihr zusammen zu sein, und die Woche ging schnell vorüber; ich fand, dass unsere Beziehung mit jedem Tag stärker, enger wurde, so sehr, dass es uns bald schwerfallen würde, auseinanderzugehen. Wir sprachen eine Sprache, die nur die unsere war, eine Mischung aus literarischem Arabisch, marokkanischem Dialekt und Französisch; Judit machte täglich erstaunliche Fortschritte im Arabischen. Und tatsächlich, als das Ende in Tunis nahte, nach sieben Tagen mit Casanova und den Gefallenen – Judit sah mir bei der Arbeit über die Schulter, sie scherzte über meine Frontsoldaten und fand die Sprache des Venezianers ziemlich schwer verständlich –, mit Pausen im kostenlosen Planschbecken im Innenhof, mit Spaziergängen in La Goulette, Karthago und La Marsa, war ich umso deprimierter darüber, nach Tanger zurückkehren zu müssen, je näher die Abreise rückte, zumal wir dieses Mal keine Aussicht auf ein baldiges Wiedersehen, keinen Plan hatten. Judit versprach mir, im Herbst wiederzukommen, aber sie wusste nicht, wann und wie, sie würde bestimmt kein Geld haben.
Und schließlich mussten wir uns einen Ruck geben und Abschied nehmen.
»Als Nächstes bin ich dran zu kommen«, sagte ich am Flughafen von Tunis und schloss sie in die Arme.
»Das wäre gut.«
»Ich werde eine Möglichkeit finden, um nach Barcelona zu kommen. Allah karim .«
» Sahih . Dann warte ich auf dich.«
»Inschallah.«
»Inschallah.«
Und ich flog schweren Herzens zurück.
Die Rückkehr war hart, ich musste bei der Arbeit doppelt so schnell vorankommen, weil es mir nicht gelungen war, meinen Galeerenrhythmus beizubehalten: Mein Geld war aufgebraucht; ich hatte meine Mitbewohner satt, sie ermüdeten mich, sie und ihr Mist; ich setzte auf den Ramadan, der mich wieder aufbauen würde, aber das Fasten bei der Hitze und den langen Sommertagen war furchtbar, und abgesehen von den Umständen hatte ich große Mühe, mich in meiner Einsamkeit der feierlichen und spirituellen Dimension zu öffnen, die den Hunger und den Durst erträglich gemacht hätte; ständig dachte ich an den Ramadan im Jahr zuvor mit Bassam, Cheikh Nouredine und den Gefährten vom koranischen Gedankengut, an unser iftar , unser Fastenbrechen, in dem kleinen Restaurant nebenan, an die Koran-Lesungen bis spät in die Nacht und das kindliche Glücksgefühl, an die geteilte Freude im Freundeskreis und in der Familie, die der Fastenmonat mit sich brachte und die mir jetzt natürlich immer wieder einfiel, allerdings, um mich in eine traurige Melancholie zu stürzen. Allein war der iftar eine betrübliche Angelegenheit, und selbst wenn wir uns bemühten, meine schrecklichen Gefährten und ich, zusammen zu sein, trugen die Tütensuppen, Sardinenbüchsen oder Nudeln (ganz zu schweigen von ihren Kommentaren) noch zum Trübsinn bei. Dann vertiefte ich mich allein in meinen Koran und meinen Ibn Kathir, doch es gelang mir nicht, mich zu konzentrieren, die Namen der Frontsoldaten und Casanovas Memoiren schwirrten mir durch den Kopf – selbst wenn ich zum Fastenbrechen ins Restaurant ging oder zu den Lesungen in die Moschee, es half nichts.
Nach zwei Wochen hörte ich auf zu fasten, wütend auf mich selbst, aber was soll’s, es war immer noch besser, als etwas vorzutäuschen. Ich verbrachte die meiste Zeit im Büro, denn die klimatisierte Luft machte das Arbeiten angenehm: Bei mir zu Hause tropfte mir der Schweiß selbst bei nacktem Oberkörper auf die Tastatur. Ich stellte mir meine Soldaten vor, wie sie im Sommer durstig waren in den Schützengräben, der Schlamm musste getrocknet sein und Krusten gebildet haben, die große Zahl der Gefallenen war erschütternd, sie hatten alle einen Namen, einen Wohnort, manchmal konsultierte ich die Datenbank, um zu sehen, wer am selben Ort gestorben war, je weiter die Erfassung fortschritt, desto mehr erkannte man das Ausmaß der Katastrophe, Verdun, die Somme und der Chemin des Dames führten die Blutbäder an, aus diesem Grund schaute ich nach der Arbeit über das Internet Dokumentarfilme über den Ersten Weltkrieg an: die Hölle der
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