Straße der Diebe
muss man sagen. Als eine Art Schiffsjunge. Der Name des Schiffs, Ibn Battuta , schien mir wie ein Zeichen, ein gutes Omen. Die Mannschaft staunte nicht schlecht über diesen durch Protektion hinzugekommenen Neuling, der nie zuvor einen Fuß auf eine Schiffsplanke gesetzt hatte, na und, dachte ich, Hauptsache, ich werde nach und nach akzeptiert. Ich versuchte gefällig zu sein und den misstrauischen Blicken mit Freundlichkeit zu begegnen, ich riskierte damit, für einen Schwächling oder einen Idioten gehalten zu werden, entscheidend aber war für mich, auf dem Meer zu sein, auf dem Weg nach Spanien. Natürlich hatte ich kein Visum, mit dem ich den Hafen von Algeciras hätte verlassen können; eine Zeit lang musste ich hin- und herfahren, Runden in der Meerenge drehen, aber irgendwann würde sich eine Möglichkeit ergeben, an Land zu gehen.
Ich hatte keinen Plan.
Der Freund von Jean-François war bereit gewesen, mich für einen Hungerlohn einzustellen, der gerade reichte, um meine Miete in Tanger zu bezahlen, aber mach dir keine Sorgen, sagte er, du bekommst Trinkgelder, Prämien, Zuschläge. Monsieur Bourrelier ließ mich nur sehr ungern gehen, noch warteten Kilometer von Gefallenen und von Büchern darauf, ein digitales Leben zu bekommen, aber im Grunde freute er sich für mich, glaube ich. Dann Mast- und Schotbruch, sagte er zu mir, als er mir die Hand reichte, und vor allem, vergiss nicht, wenn du zurückkommen willst, du bist immer willkommen.
Die Ibn Battuta war nicht die Pequod , kein einziger Mast, kein Tran: Sie war ein altes britisches Schiff von hundertdreißig Metern Länge aus dem Jahr 1981, das trotz der gut einen Meter dicken Schicht verschiedener Rumpfanstriche, die das Ganze zwangsläufig etwas schwerer gemacht haben mussten, tausend Passagiere und zweihundertfünfzig Autos mit einer Geschwindigkeit von neunzehn Knoten transportieren konnte. Wir benötigten zwischen anderthalb und zwei Stunden, um nach Andalusien zu kommen, und machten zwei Touren täglich; mal begann ich um sechs Uhr morgens, half beim Verladen der Lastwagen und Personenfahrzeuge und kam um achtzehn Uhr abends zurück, mal ging es um elf Uhr vormittags los, sodass ich um dreiundzwanzig Uhr zurück war.
Meine erste Überfahrt sollte mir in Erinnerung bleiben. Das Meer hatte ich seit meiner Geburt täglich gesehen: Stundenlang hatte ich diesen Fähren bei der Überfahrt über die Meerenge zugeschaut, und jetzt war ich an Bord auf einer von ihnen. Es war September, die Reisezeit Richtung Norden war noch nicht zu Ende, das Schiff war voll von Marokkanern, die nach Hause fuhren, nach Spanien, Frankreich oder Deutschland. Vollgepackte Kisten, Anhänger, ganze Sippen (Großvater – Großmutter – Vater – Mutter – Sohn – Tochter und manchmal sogar Onkel – Tante – Geschwisterkinder) quetschten sich oft in zwei oder auch drei Autos, im Konvoi, und ihr Wunsch zurückzufahren schien umgekehrt proportional zu ihrem Alter: Die Jungen waren so ungeduldig, wie die Alten seufzten. Die Überfahrt war für alle diese Reisenden eine kleine Pause vor der langen Autofahrt, die auf sie wartete, zwölf, zwanzig, wenn nicht gar dreißig Stunden in der Kiste.
Es war mein erster Tag, und ich konnte noch nichts; ich sollte beim Einweisen der Fahrzeuge helfen, da ich aber die Fahrer nicht auf ihre Parkplätze leiten konnte, jagte mich der für die Beladung Verantwortliche schnell davon, scher dich zum Teufel, rief er und sogar noch Vulgäreres, deshalb ging ich hinauf aufs Deck, wo sich die Cafeteria befindet, und half dem Mann an der Bar ein paar Kisten Pepsi in Kühlschränke räumen, bis mich auch der zum Teufel schickte, weil ich aus Ungeschicklichkeit eine Flasche fallen ließ. Daraufhin stellte ich mich an die Reling und wartete auf das Ablegemanöver. Die Brücke roch nach einer Mischung aus Meer und Benzin, das Metall unter meinen Armen vibrierte sanft im Rhythmus der Dieselmotoren; die Schlange der Personen- und Lastwagen wurde kleiner, sie verschwanden im Bauch der Fähre; es war unglaublich, die Menge an unbelebter und belebter Ladung zu sehen, die das riesige Ungetüm transportieren konnte, auf dem wir uns befanden. Der Seemann, der mich an Bord willkommen geheißen hatte, war ungefähr vierzig Jahre alt und der Erste Offizier auf dem Schiff – ich hatte nicht die geringste Ahnung von Schiffen, was ziemlich komisch war. Insbesondere kannte ich die Bezeichnungen nicht. Die Marine ist vor allem eine Frage des Vokabulars. Bug, Heck,
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