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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Teufels bluten nicht«, schrie er.
    Zwei Männer kamen auf sie zu, packten ihre Arme und wollten sie wegzerren. Ihre Angst wuchs. Aber auch ihre Wut.
    »Seid ihr von Sinnen? Und der Mönch hat vollends den Verstand verloren! Lasst mich sofort los!« Sie strampelte mit den Beinen. »Ihr tut mir weh. Gebt mir meine Karten. Ich will meine Karten!«
    Ein Mann schlug ihr ins Gesicht.
    »Du wirst den Frater nicht beleidigen«, sagte er. »Nicht in Burgos. Nicht in unserer Stadt des Herrn.«
    Benommen nahm Estrella wahr, wie er plötzlich zurückgerissen wurde.
    »Du kommst dir stark und mutig vor, eine wehrlose Frau zu schlagen, ja?« Caminos Stimme war schneidend. »Lasst sie sofort los! Sonst mach ich euch Beine!«
    Zu ihrem Erstaunen gehorchten sie.
    »Das ist wohl deine Buhle?«, hetzte der Mönch weiter. »Denn ihr müsst wissen, Satan hat nicht nur Weiber in seinem Gefolge ...«
    »Kümmere dich nicht um ihn«, sagte Camino. »Wird Zeit, dass wir verschwinden.«
    Sie bückte sich und begann die bunten Blätter aufzuklauben.
    »Hast du noch nicht genug? Komm schon! Die Stimmung kann sich gleich wieder ändern.«
    »Ich will meine Karten.« Sie blieb am Boden, bis sie alle zusammen hatte. »Jetzt können wir gehen.«
    Er packte ihre Hand.
    »Du bleibst ganz nah neben mir. Geh gleichmäßig, aber nicht zu schnell. Und sieh dich nicht um. Kein einziges Mal. Verstanden?«
    Die ersten Schritte fielen ihr schwer. Würde die Meute ihnen folgen? Die Stimme des Mönchs folgte ihnen gellend über den Platz, wurde schließlich leiser, je weiter sie sich entfernten.
    »Danke«, sagte Estrella, als sie den Schutz der belebten Gassen erreicht hatten. »Jetzt hast du mich schon zum zweiten Mal gerettet.« Sie versuchte zu lächeln, aber es war nur ihr Mund. In ihren Augen stand noch immer die eben durchlittene Angst.
    »Du spielst ein gefährliches Spiel«, sagte Camino. »Darüber solltest du dir im Klaren sein. Es gibt hier im Norden viele, die wie dieser Mönch denken. Und es wird nicht immer jemanden geben, der im richtigen Moment erscheint. «
    »In der Regel kann ich das auch ganz gut allein.« Jetzt klang sie trotzig.
    Statt einer Antwort zog er nur die Brauen hoch. Plötzlich lag ihr viel daran, dass er sie verstand.
    »Ich will doch nichts anderes, als ihre Neugierde stillen«, versuchte sie sich zu verteidigen. »Da ist nichts Böses dabei. Schließlich möchte jeder etwas über sein Schicksal erfahren. Oder hat es dir etwa nicht gefallen, was ich dir neulich gesagt habe?«
    »Du hast mich überrascht.« Sie waren vor dem Hospiz angelangt. »Du bist ein seltsames Geschöpf, Estrella. Voller Gegensätze.« Er strich über ihre Wange. »Tut es noch weh?«
    Die leichte Berührung war so schnell wieder vorüber, als habe sie nur geträumt. Ihr erster Impuls war es, seine Hand festzuhalten, sich Gewissheit zu verschaffen. Doch Camino hatte sie ihr schon wieder entzogen.
    *
    Endlos dehnten sich Getreidefelder unter einem blauen Himmel. Ab und zu begegnete ihnen eine Schafherde, dann waren sie wieder allein auf dem Weg, bis sie die nächsten Pilger einholten. Jetzt begannen sie sich nach der roten Erde Riojas zu sehnen, nach den Wäldern und Steigungen, die sie vor kurzem noch verflucht hatten, denn die Gleichförmigkeit der Landschaft begann sich wie Blei auch auf ihre Seelen zu legen.
    Die Zeit schien stillzustehen.
    Die Sonne brannte, nur der Wind, der ihnen entgegenblies, war noch immer kühl. Alles grau, ockerfarben, gelb, braun. Sogar die Dörfer schienen sich der Farbe des Bodens anzupassen, wie gebacken aus Häcksel und Lehm.
    Keiner verspürte Lust zu reden, Armando aber war der Schweigsamste von allen. Seine Tasche umklammernd, schritt er fast wütend aus, während sich in ihm ein Gewitter von Selbstvorwürfen, Schamgefühlen und Verzweiflung entlud. Er hasste sich. Er war es nicht wert, weiterhin Hüter des heiligsten Kelchs zu sein. Er hatte alles verdorben. Und am meisten quälte ihn, dass er Pilars Zuneigung verspielt hatte.
    Am liebsten hätte er Estrella gepackt und geschüttelt, aber was würde das noch nützen? Sie war lediglich ein Auslöser gewesen. Der Fehler lag einzig und allein bei ihm. Er war zu schwach, zu mutlos, zu wenig gläubig, um der Versuchung zu widerstehen.
    Wütend kickte er einen der großen Steine weg, die überall herumlagen, und war beinahe froh um den körperlichen Schmerz, der durch seinen Fuß fuhr.
    »Dort hinten liegt Hontanas«, sagte Camino, der ihm immer wieder besorgte Blicke

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