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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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dir nicht lieber alles noch einmal in Ruhe überlegen, Pilar?«, sagte Magda.
    Wütend fuhr das Mädchen zu ihr herum.
    »Gib dir keine Mühe. Du bist mich ohnehin bald los! Der heilige Jakob ruf t mich. Ich werde zu seinem Grab pilgern.«
    »Du? Ans Ende der Welt?« Erregt war Martin aufgesprungen. »Was willst du denn da?«
    Sie blieb ihm die Antwort schuldig.
    Wie sollte er verstehen, dass das Feuer sie in gewisser Weise sehend gemacht hatte? Und damit die Blindheit, mit der sie sich schon beinahe abgefunden hatte, kaum noch zu ertragen war? So viele berichteten von Wundern, die der Heilige gewirkt hatte. Ihr ganzes Leben hatte Jakobus sie begleitet. Und wenn sie ihn nun aus reinem Herzen um Heilung bat - wieso sollte seine Kraft ausgerechnet bei ihr versagen?
    »Aber wie willst du das anstellen?«, fuhr Martin fassungslos fort.
    »Tariq wird mir seine Augen leihen. Außerdem kennt er den Weg. Er hat meine Mutter sicher hierher geleitet, und er wird mich nicht minder sicher zu Jakobus bringen.«
    »Der Maure und du? Monatelang allein unterwegs?« Seine Stimme verriet, wie gekränkt er war. »Das ist nicht dein Ernst, Pilar!«
    »Er heißt Tariq. Und ist mein einziger Freund.«
    Martin verließ sie grußlos.
    »War das wirklich nötig?«, sagte Magda. »Schon morgen wird ganz Regensburg davon wissen.«
    »Dann musst du es wenigstens nicht mehr allen erzählen.«
    »Du hasst mich noch immer! Und ich hatte so sehr gehofft, du würdest mich inzwischen verstehen.«
    »Vielleicht tue ich das sogar. Aber ich muss frei atmen können, und das fällt mir schwer in deiner Gegenwart.«
    »Ich weiß, dass wir einen großen Fehler gemacht haben, Heinrich und ich«, sagte Magda bittend. »Aber die Zeit war einfach zu knapp, um dich einzuweihen, Pilar. Pater Rabanus hat unseren Bund heimlich gesegnet, damit unser Sohn ...«
    Pilars Nägel gruben sich in ihre Handflächen. Manchmal schien die Luft um sie herum in Flammen aufzugehen. Aber sie würde nicht weinen. Nicht vor Magda. Warum war dieser Stock, der ihr winziges Stückchen Freiheit bedeutete, schon wieder einmal nicht griffbereit?
    »Ich weiß nicht, wie du Rabanus dazu bekommen hast, mitzuspielen«, sagte sie langsam. »Aber eines weiß ich genau: Papa hätte dich niemals geheiratet, denn er hatte bereits eine Frau - meine Mutter. Und ebenso wenig hat er dein Kind gezeugt.«
    »Aber es ist Heinrichs Kind!«
    »Schlau eingefädelt, Muhme! Matteo hast du rechtzeitig fortgeschickt. Und ich werde nichts sagen. Aber verlange nie wieder, dass ich dir glaube!«
    »Um Heinrichs willen«, sagte Magda leise.
    Allein die Art, wie sie seinen Namen sagte, als habe sie ein Anrecht auf ihn! Pilar vermisste ihn so sehr, dass sie es kaum ertragen konnte. Ihre Hände ertasteten endlich den Stock und sie ging steifbeinig hinaus.
    Die ganze Nacht blieb ihr flüchtiger Schlaf am Rand des Traums. Einmal wachte sie schweißgebadet auf, weil Minka vor dem Fenster jammerte. Sie ließ sie herein, aber die Katze wollte offenbar gar nicht gestreichelt werden, sondern wand sich unruhig unter ihren Händen, bis sie sie wieder hinausließ.
    Bevor der Morgen kam, stand Pilars Entschluss fest. Und wenn die Frühlingswinde noch so kalt bliesen, je schneller sie nach Süden kamen, umso besser! Noch vor dem Osterfest würde sie sich mit Tariq auf den Weg zum heiligen Jakob lachen.
    *
     
    Trier, März 1246
     
    Den ganzen Tag hatte sie Abschied genommen - auf ihre Weise. Zunächst ordnete Moira sein verwaistes Werkzeug: Kelle und Baumeisterlot, Dechsel und Säge, Senkblei, Spitzhammer, Lineal und Zirkel. Dann verschloss sie die Truhe, in der die Leinenbinden lagen. Allabendlich hatte sie sie in
    Wasser getränkt, um seine geschwollenen Gelenke zu kühlen. Gero war Hüttenmeister am Trierer Dom gewesen und hätte die gröberen Arbeiten ebenso gut seinen Zimmerleuten und Steinmetzen überlassen können. Aber er war kein Mann, der nur über Bauplänen brütete, er liebte es, selbst mit anzupacken.
    Der Chorumbau war sein Lebenswerk. Einer Bühne gleich wies der Chor die gesamte Breite des Mittelschiffs auf. Eine großartige Bühne, die den Tod für ihr einziges Kind bereithielt.
    Sie berührte die Bank und den Tisch, an dem sie gegessen hatten. Wie stolz war er gewesen, dass es seiner Familie an nichts fehlte, wo doch so viele andere in den letzten kalten Wintern hungern mussten!
    Das obere Stockwerk zu betreten fiel ihr schwer, aber sie zwang sich dazu. Sie ging in das niedrige Zimmer mit dem Alkoven, in dem

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