Straße des Todes: Thriller (German Edition)
Hier befanden sich mehr Bewacher als in den beiden Häusern zuvor, und keinen von ihnen erkannte ich wieder.
Washington und Pinetta führten mich in ein kleines Büro mit verstärkter Tür. Auf dem Betonboden standen eine Flasche Wasser und ein gelber Eimer, sonst nichts.
»Schlaf schön«, sagte Washington. »Und lass dich nicht von den bösen Schlangenkäfern beißen!«
Pinetta lachte, und ich drehte mich um, um ihnen meine Handgelenke zu zeigen.
»Könnt ihr die vielleicht durchschneiden, damit ich pinkeln kann?«
»Nein.«
Sie gingen und verriegelten die Tür. Die ganze Nacht über hörte ich elektrische Bohrschrauber, Sägen und Hämmer. Ich setzte mich auf den schmutzigen Betonboden, konnte aber nicht schlafen. Ich schaffte es, mir die Hose runterzuschieben, damit ich pinkeln konnte, und mit einiger Mühe bekam ich sie auch wieder hoch.
Spät am nächsten Tag öffneten ein gebeugter Latino mit großem Adamsapfel und ein übergewichtiger Anglo-Skinhead mit kräftigem texanischem Akzent die Tür.
»Wo sind Washington und Pinetta?«, fragte ich. »Die wollten mir was von Starbucks bringen.«
»Auf die Füße, Schwanzgesicht!«, sagte der Skinhead.
Wortgewandt.
Ghazi al-Diri wartete vor der Tür, als sie mich aus dem Raum schleiften, und er sah nicht sonderlich glücklich aus.
»Wie lange braucht ihr denn, um mich zu überprüfen«, sagte ich. »So langsam wird es lästig.«
»Das Mädchen sagte mir, dem Jungen geht’s schlechter. Du hast ’ne medizinische Ausbildung?«
Mit seiner Frage veränderte sich alles. Noch vor zehn Sekunden hatte ich nicht gewusst, ob ich Krista Morales und Jack Berman je wiedersehen würde. Und jetzt waren sie ebenfalls hier.
»Ich hab mich drum gekümmert, wenn es bei meinen Leuten Verletzungen und Gesundheitsprobleme gab. Wenn ich mir den Jungen mal anschauen soll, kann ich das tun. Wahrscheinlich kann ich sogar helfen.«
Sie führten mich durch die Kantine und einen kurzen Korridor entlang in das nächste Gebäude. Der Skinhead hieß Royce, und Royce meckerte gern rum. Er und die meisten anderen Bewacher waren gestern eingetroffen, und sie fanden es gar nicht klasse, sich die ganze Nacht den Arsch aufreißen zu müssen, um das Sperrholz anzubringen. Er meckerte in einer Tour, bis der Syrer ihm schließlich sagte, er solle die Klappe halten. Das tat er dann auch. Wir kamen an weiteren Bewachern vorbei. Die meisten waren mit Elektroschockern und Knüppeln bewaffnet, aber ein paar hatten kurze schwarze Schrotflinten und einer sogar eine chinesische Kalaschnikow. Sie wirkten angespannt und ängstlich, und ihr Schweigen und ihre Waffen ließen darauf schließen, dass der Syrer mit Schwierigkeiten rechnete.
Das Nachbargebäude wurde über seine gesamte Länge von einem einzigen langen Korridor in zwei Hälften geteilt. Je zwei Türen befanden sich auf beiden Seiten des Korridors und eine fünfte an dessen hinterem Ende – die drei entfernteren waren mit Sperrholz gesichert. Im Korridor lungerten weitere Männer herum.
Der schlaksige Bewacher schloss die Tür auf der linken Seite auf und ließ uns in einen länglichen Raum, der wie der Korridor über die gesamte Länge des Gebäudes verlief. Vermutlich war er mal als Lagerraum oder Pausenraum genutzt worden, doch jetzt erstreckte sich hier nur noch nackter Betonboden, und die Fenster waren mit Sperrholzplatten zugenagelt. Vor den Wänden saßen dicht gedrängt Männer und Frauen in kleinen Gruppen auf dem Boden. Es waren mehr Gefangene als im letzten Haus. Mehr Latinos. Mehr Schwarze und Anglos. Eine Handvoll Leute mochte aus dem Nahen Osten stammen. Berman lag vor der Wand, Krista saß neben seinem Kopf und ein muskulöser junger Asiate zu seinen Füßen. Krista stand auf, als sie uns sah.
»Hier«, sagte al-Diri. »Sieh ihn dir an. Was meinst du? Wird er bald sterben?«
Ich zuckte die Schultern und zeigte meine Handgelenke.
»Die Fesseln. Ich brauch dafür schon meine Hände.«
Der Syrer gab Royce ein Zeichen, woraufhin der das Plastikband zerschnitt.
Ich ging hinüber, lächelte Krista an und kniete mich neben Bermans Kopf. Krista musterte mich, als versuche sie, aus mir schlau zu werden.
Ich lächelte wie der freundliche Hausarzt, weil al-Diri und seine Männer aufmerksam zusahen, und ich redete laut genug, damit auch sie mich verstehen konnten.
»Wie geht’s ihm?«
Als sie diesmal sprach, erinnerte sie sich an ihren Akzent.
»Nicht so gut, vielleicht so wie vorher? Seine Augen, die bewegen, aber sie sehen
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