Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
schwören können, dass ich den Whiskey schmeckte, der mir vom Magen in die Kehle stieg, wie ein älter Freund, der zurückkehrt, wenn man ihn braucht.
Durch den Schweiß und das Wasser, die mir aus den Haaren tropften, sah ich, wie der Gouverneur und ein paar umstehende Männer Gable auf die Füße halfen. Seine Zähne sahen wie rosa Grabsteine aus, als er mich anlächelte.
26
M eine Hände taten am nächsten Morgen immer noch weh. Ich ließ in der Küchenspüle kaltes Wasser drüberlaufen, trank dann in der blauen Morgendämmerung draußen am Picknicktisch Kaffee und versuchte nicht mehr an letzte Nacht zu denken. Ich ging am Bachlauf entlang, der sich hinten durch unseren Garten zog, und betrachtete das Immergrün am Ufer, die Caladien und die mit Tautropfen übersäten Elefantenohren, die Weiden, die sich im Wind bauschten. Am liebsten wäre ich für immer hier an dieser Stelle geblieben, hatte keine Lust, am Montagmorgen in die Dienststelle zu gehen, mir die Frühausgabe des Daily Iberian anzuschauen, mich mit Leuten auseinander zu setzen, die mich höflich auf dem Bürgersteig oder am Flur des Gerichtsgebäudes ansprachen, um dann miteinander zu tuscheln, sobald sie meinten, ich wäre außer Hörweite.
Ich ging zum Haus zurück, als die Sonne hinter den Zypressen aufging und wie Feuer in den Sumpf fiel. Die Rückseite des Hauses lag noch tief im Schatten, doch ich konnte einen weißen Briefumschlag erkennen, der an Alafairs Fliegengitter hing. Ich riss ihn los und schaute auf ihren Namen, der in schwungvollen Buchstaben auf die Vorderseite geschrieben war. Die Lasche war zugeklebt und mit feinen Filzstiftstrichen versehen, die sich über den Rand hinwegzogen, sodass man die Gummierung nicht lösen konnte, ohne dass es dem Empfänger auffiel.
Ich zückte mein Taschenmesser, schlitzte den Umschlag oben auf und holte das zusammengefaltete Briefpapier heraus.
Ich ging zum Köderladen hinunter und rief Wally an, unseren zweieinhalb Zentner schweren Mann in der Telefonzentrale, und teilte ihm mit, dass ich am Montag einen Tag Urlaub nehmen wollte.
»Hast du den Alten gefragt?«, sagte er.
»Ich habe das Gefühl, dass er sich sowieso meldet«, sagte ich.
»Hey, Dave, wenn ich die Prüfung zum Detective bestehe, darf ich dann mit euch rumziehen, die großen Fälle lösen und mit den Cops aus New Orleans die Krabbenschwänze vom Boden aufwischen?«
Doch als ich wieder hinaus auf den Steg ging, dachte ich nicht mehr an Wallys Frotzelei oder die unvermeidliche Begegnung mit dem Sheriff. Ich setzte mich an einen Kabelrollentisch und las noch einmal den Brief, betrachtete die ebenmäßigen, mit allerlei barocken Schnörkeln verzierten Buchstaben, die ein selbstherrlicher Künstler zu Papier gebracht hatte, beziehungsweise ein Größenwahnsinniger, wie es ein Psychologe schlicht und einfach ausdrücken würde.
Der Text lautete:
Liebe Alafair,
ich hatte eine heftige Auseinandersetzung mit deinem Vater. Aber er hat versucht, unsere Freundschaft zu zerstören, und außerdem hat er sich bei allerlei Leuten nach meinem Privatleben erkundigt, nach Sachen, die ihn nichts angehen.
Zuerst konnte ich es nicht glauben, als du gesagt hast, du kannst dich nicht mehr mit mir treffen. Hast du das wirklich ernst gemeint? Ich würde dich nie im Stich lassen. Würdest du mir das antun? Ich weiß bereits die Antwort.
Kannst du dich noch an unsere geheimen Treffpunkte erinnern? Komm einfach zu einem, dann finde ich dich schon. Alafair, du bist der beste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Wir sind wie der Soldat und das Mädchen auf der Vase. Obwohl sie vor langer Zeit gelebt haben und vermutlich längst im Grab vermodert sind, leben sie in diesem Hain auf der Vase weiter. Der Tod kann schön sein, genau wie die Kunst, und sobald man sich auf eins von beiden einlässt, bleibt man für immer jung, und die Liebe stirbt nie.
Bis bald.
Wie immer, dein getreuer Freund
Johnny
Ich lief die Böschung zum Haus hinauf, ging ins Schlafzimmer und zeigte Bootsie den Brief.
»Mein Gott«, sagte sie.
»Mir fällt dazu nichts mehr ein.«
»Wo ist sie?«
»Sie schläft noch. Am liebsten würde ich –«
»Was?«, sagte Bootsie. Sie trug noch ihr Nachthemd und hatte sich auf den Ellbogen gestützt.
»Nichts«, sagte ich.
Sie setzte sich auf und ergriff meine Hände. »Wir dürfen nicht alle unsere Probleme mit Gewalt lösen. Remeta ist ein kranker Mensch«, sagte sie.
»Klingt so, als ob wir über letzte Nacht reden statt über
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