Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
… Es kommt mir so vor, als ob ich schon mal hier gewesen wäre.«
»Das kommt daher, weil das ein Dreckloch ist, wo die Weißen reich geworden sind, während sich ein Haufen Peons krumm und bucklig geschuftet hat. Genau wie da, wo du aufgewachsen bist.«
Als ich nicht auf seine bissige Bemerkung einging, kniff er die Augenwinkel zusammen und sprühte sich einen Strahl Atemspray in den Mund. »Warte, bis du Jim Gable kennen lernst. Sag mir danach Bescheid, ob das nicht ein ganz besonderer Typ ist«, sagte er.
Das letzte Tageslicht war verglommen, und dichter Regen fiel im Schein der Strahler, die hoch in den Palmen verankert waren, als wir durch das Eisentor auf Jim Gables Auffahrt stießen. Er trug eine weiße Hose und ein blau gestreiftes Sportsakko und grinste uns mit seinen weit auseinander stehenden Zähnen entgegen, als er die Seitentür neben dem überdachten Abstellplatz öffnete. Sein Kopf war zu groß für die schmalen Schultern.
Herzlich schüttelte er mir die Hand.
»Ich habe schon allerhand über Sie gehört, Mr. Robicheaux. So weit ich weiß, haben Sie sich im Krieg ziemlich ausgezeichnet«, sagte er.
»Das war Clete. Ich war dort, bevor es heiß herging«, erwiderte ich.
»Ich war bei der Nationalgarde. Wir wurden nicht eingezogen. Aber ich bewundere die Leute, die da drüben gedient haben«, sagte er und hielt uns die Tür auf.
Das Innere des Hauses war in gedämpftes Licht getaucht, an den Fenstern hingen rote Samtvorhänge, und die Räume waren mit den herrlichsten Eichen- und Zypressenhölzern ausgestattet, die ich je gesehen hatte. Wir gingen durch eine Bibliothek und einen von Bücherregalen gesäumten Flur in ein mit dickem Teppichboden ausgelegtes Wohnzimmer mit hohen Glastüren und einer Kuppeldecke. Durch eine Seitentür sah ich eine Frau mit kreideweißem, totenblassem Gesicht in einem Himmelbett liegen. Ihre strohblonden Haare waren auf dem Kissen unter ihrem Kopf ausgebreitet wie wogender Seetang in der Strömung. Gable zog die Tür zu.
»Meine Frau fühlt sich nicht wohl. Möchten Sie einen Whiskey mit Soda?«, sagte er von der Bar aus, wo er mit einer Zange Eiswürfel in ein Highballglas gab. Seine Haare waren metallisch grau, dicht und glänzend, von einem scharfen Seitenscheitel durchzogen.
»Für mich nicht«, sagte ich. Clete schüttelte den Kopf.
»Womit kann ich euch dienen?«, fragte Gable.
»Ein Zuhälter namens Zipper Clum wirft mit Ihrem Namen um sich«, sagte ich.
»Wirklich?«
»Er sagt, Sie und ein Sittenpolizist vom First District interessieren sich für eine Prostituierte namens Little Face Dautrieve«, sagte ich.
»Interessieren?«
»Zipper sagt, entweder steigt sie mit euch zwei in die Kiste, oder sie fährt wegen Drogenbesitz ein«, sagte ich.
Gable warf mir einen spöttischen Blick zu. »Einer meiner Männer hat Zipper mit dem Gesicht voran auf eine elektrische Herdplatte gedrückt. Das war vor etwa fünfzehn, zwanzig Jahren. Ich habe den Mann gefeuert. Zipper vergisst so was«, sagte Gable. Er trank einen Schluck aus seinem Glas und zündete sich mit einem goldenen Feuerzeug eine dünne Zigarre an. »Sind Sie eigens von New Iberia hierher gefahren, um sich über Korruption bei der Polizei von New Orleans zu erkundigen, Mr. Robicheaux?«
»Ich glaube, diese Prostituierte weiß etwas, das im Fall Letty Labiche hilfreich sein könnte«, sagte ich.
Er nickte mit versonnenem Blick, so als wäre er mit halb ausgegorenen Gedanken beschäftigt.
»Ich habe gehört, dass die Labiche bekehrt worden ist«, sagte er.
»So heißt es«, sagte ich.
»Schon komisch, dass so was immer in der Todeszelle vorkommt. Was mich angeht, hat es Letty Labiche nicht verdient, durch die Todesspritze zu sterben. Sie hat einen Ordnungshüter umgebracht. Meiner Meinung nach sollte sie auf dem elektrischen Stuhl vom Leben zum Tod befördert werden, und zwar nicht auf einen Schlag«, sagte er.
Clete schaute mich an, dann blickte er zur Tür.
»Eine Menge Menschen sind anderer Meinung«, sagte ich.
»Glücklicherweise ist es nicht meine Aufgabe, mit Ihnen zu streiten«, erwiderte Gable. »Zu einem anderen Thema – hätten Sie Lust, sich meine Militaria-Sammlung anzuschauen?« Er grinste wieder, verbarg seine Gefühllosigkeit, Niedertracht, moralische Verkommenheit oder was immer es sein mochte, das seinen Charakter prägte, einmal mehr hinter dem maskenhaften Lächeln, das er wie eine Glasur zur Schau trug.
»Ein andermal«, sagte ich.
Doch er hörte nicht zu. Er stieß eine
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