Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
der rot geschminkte Mund wartete förmlich darauf, geküsst zu werden.
    »Sie sind Cora Perez. Sie waren ein Filmstar. Ich habe Sie in einem Film mit Paul Muni gesehen«, sagte ich.
    »Das war ganz am Ende von Pauls Karriere. Er war ja so ein wunderbarer Kollege. Er wusste genau, wie nervös und unsicher ich war, und brachte mir jeden Morgen eine Blume zum Set mit«, sagte sie.
    »Es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen, Miss Cora«, sagte ich, obwohl ich nach wie vor nicht genau wusste, was sie mit ihrem Besuch bezweckte. Mein Blick wanderte zum Küchenfenster, wo ich Alafairs und Bootsies Silhouetten am Tisch sitzen sah.
    »Ich darf Sie nicht weiter aufhalten«, sagte sie und fasste mich kurz an der Hand. »Manchmal brauche ich einfach jemanden, der mir bestätigt, dass ich nicht unzurechnungsfähig bin.«
    »Wie bitte?«
    »Dafür hat man mich von Gerichts wegen erklärt. Schmeichelhaft ist so etwas natürlich nicht. Aber vielleicht stimmt es ja. Wenn einem vorgeworfen ist, dass man schwachsinnig ist, wie soll man da beweisen, dass dem nicht so ist? Das hieße ja, dass man etwas Gegenstandsloses widerlegen muss.«
    »Ich halte Sie keineswegs für schwachsinnig, Miss Cora. Meiner Meinung nach sind Sie ein ganz bemerkenswerter Mensch.«
    »Ach je, augenscheinlich sind Sie ein sehr weiser Mann, Mr. Robicheaux.«
    Ich dachte, sie würde vielleicht mehr sagen, mir erklären, weshalb sie hier war, oder was sie mir zwischen den Zeilen meinte mitteilen zu müssen, doch es kam nichts. Ich schüttelte ihr die Hand und stieg aus, worauf der Chauffeur wie auf ein Zeichen hin vom Bootssteg zurückkehrte. Er schob sich die Mütze in die Stirn und tat so, als musterte er die Straße, die Bäume und die Zuckerrohrfelder zu beiden Seiten, als er auf die Limousine zukam.
    »Starren Sie Micah nach Möglichkeit nicht an. Er hat ein verunstaltetes Gesicht. Jim bezeichnet ihn immer als ›Zyklop‹, auch wenn ich ihm das in meinem Beisein nicht durchgehen lasse«, sagte Miss Cora.
    Sie hatte es kaum ausgesprochen, als Micah zum Licht aufblickte, sodass ich die knotige Wucherung sah, die sich über seine rechte Gesichtshälfte zog wie ein erdbeerrotes Geschwür, das ausgetrocknet war, das eine Auge zudrückte und die Wange so hochzog, dass die Zähne bloßlagen.
    Ich riss mich von dem Anblick los und wandte mich wieder ihr zu, schaute ihr bewusst in die Augen. »Auf Wiedersehen, Miss Cora«, sagte ich.
    »Kommen Sie mich mal besuchen. Bitte. Sie sind ein sehr eindrucksvoller Mann«, erwiderte sie.
    Ich kehrte ins Haus zurück und setzte mich wieder zu Alafair und Bootsie an den Tisch.
    »Wer war das?«, fragte Bootsie.
    »Ihr Künstlername war Cora Perez. Sie war Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre in Hollywood eine ziemliche Zugnummer«, sagte ich.
    »Ich kann mich an sie erinnern. Wo hast du sie kennen gelernt?«, sagte Bootsie.
    »Clete und ich haben uns einen gewissen Jim Gable vorgenommen. Clete sagt, Gable hätte sie des Geldes wegen geheiratet, weil er wusste, dass sie todkrank ist.«
    Bootsie blickte auf ihren Teller und griff zur Gabel. Ihre honigfarbenen Haare bewegten sich im Wind, der durch das Fenster strich.
    »Hab ich was Falsches gesagt?«, fragte ich.
    »Nein, ganz und gar nicht«, erwiderte sie. Sie steckte sich mit der Gabelspitze einen kleinen Happen in den Mund und schaute weiter ihren Teller an.
    In dieser Nacht lag Bootsie im Bett, hatte den Arm über die Stirn geschlagen und starrte die Decke an. Der Mond ging im Osten auf, und die rotierenden Blätter des Fensterventilators zeichneten Schattenmuster auf ihren Leib. Ich legte ihr die Hand auf die Schulter, worauf sie sich zu mir umdrehte und den Kopf unter mein Kinn schmiegte. Ich schob ihr Hemd hoch und spürte die glatte, geschmeidige Haut und den Schwung ihrer Schenkel. Doch sie hatte die Hände verschränkt und reagierte nicht so wie sonst.
    »Was ist los, Boots?«, fragte ich.
    »Dieser Jim Gable, von dem du gesprochen hast? War der früher mal Polizist in New Orleans?«, sagte sie.
    »Ist er immer noch. Ein hohes Tier, Verbindungsmann zum Büro des Bürgermeisters.«
    »Ich kannte ihn mal«, sagte sie.
    »Ach?«
    »Nachdem mein zweiter Mann umgebracht worden war.«
    Sie fuhr nicht fort. Sie sprach selten von ihren früheren Ehen. Ihr erster Mann war Hubschrauberpilot auf den Ölfeldern gewesen und draußen vor der Küste abgestürzt, aber der zweite war Ralph Giacano gewesen, der Neffe von Didi Gee, einem Gangster, der die Hände seiner

Weitere Kostenlose Bücher