Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
von dir gehört, du irrer Mistkerl. Was soll ich über deine Mutter wissen? Ich bin bloß der Schmieresteher gewesen. Ich hab in meinem ganzen Leben noch niemand umgelegt.«
»Sagen Sie mir, wer sie umgebracht hat, sonst landet in den nächsten zehn Sekunden Ihre Hirnschale samt Inhalt in der Kloschüssel hier.«
Er rappelte sich langsam auf, während ihm ein langer Blutfaden über die Backe rann. »Leck mich, du Sack«, sagte er und rammte mir die Faust in die Hoden.
Meine Knie gaben nach, wie ein grauer, rot geäderter Ballon breitete sich der Schmerz in meinem Unterleib aus, trieb mir die Luft aus der Lunge und schoss mir bis in die Fingerspitzen. Ich fiel an die Wand, meine Beine zuckten, und der .45er landete mit zurückgezogenem Hahn zu meinen Füßen.
Andropolis trat das Fliegengitter aus dem Fenster, setzte den Fuß auf den Sims und sprang hinaus.
Feurig rot geränderte Wolken standen hinter ihm am Himmel, als er zu mir zurückstarrte.
»Was deine Mutter angeht? Ich hoffe, es is nicht so gelaufen, wie es vermutlich gewesen is. Ich hoffe, die haben ihr wehgetan«, sagte er.
Er rannte am schlammigen Ufersaum entlang auf ein Weidengestrüpp in der Ferne zu. Das seichte Wasser, das unter seinen Füßen aufspritzte, funkelte im letzten Sonnenlicht goldbraun wie Whiskey in einem dickwandigen Glas. Ich richtete den .45er mitten auf seinen Rücken und spürte, wie sich mein Finger um den Abzug krümmte.
Clete Purcel sprengte mit einem einzigen kräftigen Schulterstoß den Riegel an der Tür zur Herrentoilette.
»Was machst du da, Dave?«, sagte er ungläubig.
Ich legte die Stirn auf die Arme und schloss die Augen, während mir mein Herzschlag wie Donner in den Ohren hallte und ein essigsaurer Geruch aus meinen Achselhöhlen aufstieg.
Am nächsten Nachmittag fuhr ich hinaus zum Haus der Labiches am Bayou, wo ich von einem schwarzen Jungen, der die Azaleen im Vorgarten sprengte, erfuhr, dass Passion in dem Café mit angeschlossenem Nachtclub war, das sie am Stadtrand von St. Martinville besaß. Ich fuhr zu dem Club, einem grünen Gebäude mit flachem Dach, rostigen Fliegengittern und einem Tanzboden aus Hartholz, um den ein paar Ventilatoren standen. Blendend weiß lag der mit Muschelschalen bestreute Parkplatz in der gleißenden Sonne. Ich ging durch die Seitentür und quer über den Tanzboden zur Bar, wo Passion einige Rollen Vierteldollarmünzen aufbrach und in die Kassenschublade kippte.
In der hinteren Ecke stand ein uraltes Klavier, auf dem Letty früher jeden Abend gespielt hatte. Die Tasten waren gelb, das Walnussholz an den Ecken und Kanten des Klangkörpers von Zigaretten verbrannt. Letty war eine der besten Rhythm & Blues- und Boogie-Woogie-Pianistinnen, die ich je gesehen hatte. In ihrer Musik meinte man Albert Ammons, Moon Mulligan und Jerry Lee Lewis zu hören, und jedes Mal, wenn sie den »Pine Top’s Boogie« spielte, herrschte auf dem Tanzboden ein derart sinnenfrohes und ausgelassenes Getümmel, dass es selbst in den Thermen eines Caracalla mit Beifall bedacht worden wäre.
Passion spielte manchmal als Bassgitarristin in der Hausband, aber sie hatte nicht annähernd so viel Talent wie ihre Schwester. Meines Wissens hatte niemand mehr ernsthaft auf dem Klavier musiziert, seit Letty wegen des Mordes an Vachel Carmouche festgenommen worden war. Zumindest nicht bis zum heutigen Tag.
»Sie haben was Bestimmtes vor, Chef«, sagte Passion.
»Wirklich?«, sagte ich.
»Hat man Ihnen irgendwas getan?«
»Mir geht’s gut. Wie steht’s mit Ihnen, Passion?«
Ich setzte mich an die Bar und musterte einen riesigen, leeren Bierkrug, der vor mir stand. An der mir zugekehrten Seite klebte ein dicker, orangefarbener Bodensatz.
»Der Gouverneur von Louisiana hat grade draus getrunken. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es auskochen soll oder nicht«, sagte Passion. Sie trug ein weißes, mit Blumen bedrucktes Baumwollkleid. Durch die hellen Farben wirkte sie noch größer, als sie ohnehin war, und auf eine sonderbare Art und Weise auch attraktiver und eindrucksvoller.
»Belmont Pugh war hier?«, sagte ich.
»Er hat auf Lettys Klavier gespielt. Er ist nicht schlecht.«
»Was wollte er von Ihnen?«
»Wie kommen Sie drauf, dass er irgendwas wollte?«, fragte sie.
»Weil ich Belmont Pugh kenne.«
Dann erzählte sie es mir. Es war typisch Belmont.
Sein schwarzer Chrysler war draußen auf dem mit Muschelschalen bestreuten Parkplatz vorgefahren, hatte eine weiße Staubwolke aufgewirbelt, die über das
Weitere Kostenlose Bücher