Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
dem Filter voran in den Papierkorb. »Nie wieder steck ich mir so ein Ding an. Warum kommst du mir mit diesem Quatsch, Streak?«
»Komm mit und ess mit uns zu Abend.«
»Nein, ich treff mich in einer Stunde mit ’nem Schmieresteher, der sich zur Ruhe gesetzt hat. Kommst du mit oder nicht?«
»Ein Bankräuber?«
»Eine Nummer größer. Er hat für zwei Killertrupps aus Miami und New Orleans die Augen offen gehalten.«
»Kein Interesse.«
»Und woher sollen wir deiner Meinung nach was erfahren, aus der Bibliothek?«
»Dave«, sagte er, als ich nichts erwiderte, »wenn du willst, dass ich aus der Stadt verschwinde, dann sag’s einfach.«
»Lass uns morgen drüber reden.«
»Du kannst von mir aus reden, so viel du willst. Ich treff mich mit dem Schmieresteher. Wenn du nicht hören willst, was ich rausfinde – von mir aus.«
In der Stille, die wieder einkehrte, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, waren die Wut und die Hitze, die er hinterließ, geradezu körperlich spürbar.
An diesem Abend saßen Alafair, Bootsie und ich in der Küche beim Essen, als wir einen schweren Wagen auf dem Kies in der Zufahrt hörten. Alafair stand vom Tisch auf und spähte aus dem Fenster. Sie ging jetzt auf die Highschool und hatte allem Anschein nach keinerlei Erinnerung mehr an den Bürgerkrieg in El Salvador, der sie als illegales Flüchtlingskind hierher verschlagen hatte, oder an den Tag, an dem ich sie draußen auf dem Meer aus einem untergegangenen Flugzeugwrack gezogen hatte. Ihr schwarzes Indianerhaar war mit einem blauen Halstuch hoch gebunden, und als sie sich auf die Fußballen stellte, um besser durch die Jalousien blicken zu können, wirkte sie von hinten wie eine Frau, zehn Jahre älter, als sie eigentlich war.
»Es ist jemand in einer Limousine, mit Chauffeur. Sie rollt das Fenster runter. Es ist eine alte Frau, Dave«, sagte sie.
Ich ging aus der Hintertür und um das Haus herum zu der Limousine. Sie war weiß mit dunkel getönten Fenstern, und der Chauffeur trug einen schwarzen Anzug samt Mütze und Krawatte und ein weißes Hemd. Irgendwie wandte er das Gesicht ab, so als sollte ich es nicht sehen.
Durch das offene hintere Fenster der Limousine sah ich Jim Gables Frau, die ein weißes Kleid mit ebensolchen Handschuhen trug und perlenden Burgunder aus einem Kristallglas mit langem Stiel trank. Die letzte Sonnenglut, die durch die Bäume fiel, verlieh ihrer Haut einen rosigen Schein, den sie von Natur aus nicht besaß, und ihr Mund war weich, voller Fältchen, als sie mich anlächelte. Wie hieß sie doch gleich? Corrine? Colinda?
»Micah, öffnen Sie die Tür, damit Mr. Robicheaux einsteigen kann«, sagte sie zu dem Chauffeur.
Er erhob sich vom Fahrersitz und öffnete die Hintertür, wandte das Gesicht nach wie vor ab. Als ich auf den wulstigen Lederpolstern Platz genommen hatte, ging er hinunter zum Bootssteg, wo gerade ein Schwärm weißer Reiher mit rosa schimmernden Schwingen im Abendrot über das Wasser flog.
»Wie geht es Ihnen, Miss Cora?«, sagte ich.
»Jim ist in der Stadt, und ich habe es nicht mehr ausgehalten, noch einen Tag allein zu Hause herumzusitzen. Deshalb habe ich mich von Micah zu einem kleinen Abstecher in diese bezaubernde Gegend chauffieren lassen. Leisten Sie mir bei einem Glas Burgunder Gesellschaft, Mr. Robicheaux«, sagte sie.
Während ich ihr zuhörte, fiel mir auf, dass sie ihren breiten Südstaatenakzent nach Belieben einsetzen und wieder abstellen konnte, auch wenn ihre Augen, die violett waren, unverändert freundlich und aufrichtig wirkten.
»Nein danke. Möchten Sie vielleicht mit reinkommen und einen Happen essen?«, erwiderte ich.
»Ich fürchte, ich habe Sie überfallen. Mitunter mache ich das. In Ermangelung eines Publikums und dergleichen mehr.« Sie musterte mein Gesicht und versuchte festzustellen, ob ich den Hintersinn erfasst hatte. Offensichtlich war das nicht der Fall.
»Publikum?«, sagte ich verdutzt.
»Das ist reine Eitelkeit meinerseits. Ich gehe einfach davon aus, dass sich jeder Mensch auf diesem Erdball ständig mit alten Filmen befasst.« Sie schlug ein Album auf und blätterte etliche steife, mit Zeitungsartikeln und Schwarzweißfotos voll geklebte Seiten um. Sie legte ein weiteres Blatt um, und ich blickte auf eine hinreißende Farbaufnahme von einer Frau mit langen blonden Haaren, die ein schwarzes Nachtgewand trug und verführerisch, eine Hand hinter den Kopf gelegt, auf einem Diwan dahingestreckt war. Ihre Augen waren violett,
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