Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Andropolis, mit seiner Beschreibung halbwegs Recht gehabt. Nach Auskunft des National Crime Information Center stammte der Abdruck, den wir über AFIS abgefragt hatten, von einem gewissen Johnny O’Roarke, der in Detroit die Highschool abgeschlossen hatte, aber im Letcher County, Kentucky, aufgewachsen war. Der Mädchenname seiner Mutter lautete Remeta. Mit zwanzig war er wegen Raubes und weil er Einbruchswerkzeug und Diebesgut bei sich gehabt hatte, zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er im Staatsgefängnis von Florida in Raiford verbüßte.
Während seiner Haftzeit verdächtigte man ihn des Mordes an einem knapp zwei Meter großen und gut zweieinhalb Zentner schweren Berufsverbrecher namens Jeremiah Boone, der grundsätzlich jeden Frischling, wie die neuen Häftlinge genannt wurden, in seinem Zellenblock schändete.
Helen hockte sich mit einer Hinterbacke auf die Kante meines Schreibtischs und las in den Unterlagen, die uns die Justizvollzugsbehörde des Staates Florida in Tallahassee gefaxt hatte.
»Der Knabenschänder, dieser Boone? Dem hat jemand einen Molotow-Cocktail in die Zelle geworfen. Der Gefängnispsychologe schreibt, dass O’Roarke, beziehungsweise Remeta, für acht, neun Jungs das Mädchen machen musste, bis dieser Boone abgefackelt wurde. Offenbar hat sich Remeta damit Respekt verschafft«, sagte sie, wartete dann einen Moment. »Hörst du überhaupt zu?«
»Ja, klar«, erwiderte ich. Aber es stimmte nicht. »Connie Deshotel scheint mir ganz in Ordnung zu sein. Warum gibt sie sich mit diesem Schmalzschädel ab, einem korrupten Cop wie diesem Ritter oder wie er heißt.«
»Vielleicht sind sie sich bloß zufällig über den Weg gelaufen. Immerhin hat sie bei der Polizei in New Orleans angefangen.«
»Sie hat uns erst hängen lassen und dann einen Rückzieher gemacht, damit sie besser dasteht«, sagte ich.
»Sie hat dafür gesorgt, dass wir den Täter identifizieren können. Also pfeif drauf. Wie willst du denn nun mit diesem O’Roarke, beziehungsweise Remeta oder wie immer er auch heißen mag, weiter verfahren?«, sagte Helen.
»Vermutlich hat er für den Mord an Little Face einen Vorschuss kassiert. Wahrscheinlich ist außer uns noch jemand nicht gut auf ihn zu sprechen. Vielleicht sollten wir der anderen Seite ein bisschen auf die Sprünge helfen.«
»Wie denn?«, sagte sie.
Ich warf einen Blick aus dem Fenster und sah noch, wie Clete Purcels brauner Cadillac draußen vorfuhr. Passion Labiche saß auf dem Beifahrersitz.
9
I ch ging den Flur entlang zum Eingang des Gebäudes, doch der Sheriff passte mich ab.
»Purcel ist da draußen«, sagte er.
»Ich weiß. Ich gehe ihm gerade entgegen«, sagte ich.
»Sorgen Sie dafür, dass er draußen bleibt«, erwiderte er.
»Sie sind zu hart zu ihm.«
»Wenn Sie meinen Posten wollen, müssen Sie kandidieren. Ich will ihn nicht im Haus haben.«
Ich schaute ihm hinterher, als er wegging, und seine Worte brannten mir im Gesicht. Ich holte ihn ein.
»Es geht nicht um Purcel. Es geht um seine Begleitung. Ich glaube, ihretwegen haben einige Leute hier ein schlechtes Gewissen«, sagte ich.
»Sie gehen zu weit.«
»Bei allem Respekt, Sir, Sie ebenfalls«, erwiderte ich und ging hinaus.
Clete kam mir vom Straßenrand aus entgegen. Er trug einen hellen Anzug, ein braunes Seidenhemd, einen dunklen Schlips mit kleinen Blumen und statt des Porkpie-Hutes einen Panama mit einem grün getönten Fenster in der Krempe.
»Was hast du mit Passion vor?«, fragte ich.
»Ich hab sie zur Klinik drüben in Lafayette gebracht.«
»Weshalb?«
»Sie sucht dort einen Dermatologen auf, oder so was Ähnliches. Sie wollte nicht drüber reden.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Was hast du mit ihr vor?«
»Das geht dich einen Dreck an, Streak.«
Wir standen uns in der Nachmittagshitze vor dem wuchtigen weißen Gerichtsgebäude gegenüber, dessen Schatten hinter uns auf den Rasen fiel. Dann wandte er kurz den Blick ab, wirkte aber wesentlich freundlicher, als er mich wieder anschaute.
»Ich hab mit ihr eine Spritztour gemacht, weil ich sie mag. Ich geh mit ihr zu Abend essen und hinterher ins Kino. Willst du dich anschließen?«, sagte er.
»Ich möchte mit dir unter vier Augen sprechen.«
»Yeah, jederzeit, wenn ich dir helfen kann. Danke für den freundlichen Empfang«, sagte er, stieg in seinen Cadillac und fuhr davon. Passion lächelte mir zu und strich sich mit den Fingerspitzen die Haare aus einem Auge.
Clete kam zum
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