Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Pistole unter seinem Regenmantel hervor, bückte sich, drückte sie Ladrine in die Hand und legte dessen Finger um den Abzug. Er winkte die anderen weg, richtete die Waffe auf den Bayou und gab einen Schuss ab, der im Krachen des Donners unterging, als ein Blitz in das Feld auf der anderen Seite des Highway einschlug.
In diesem Moment sahen sie, wie sie zu ihrem Wagen lief.
Zwanzig Meilen weit fuhr sie durch den Sturm, der an ihrem Auto rüttelte. Sie hatten keinerlei Anstalten gemacht, ihr zu folgen, aber trotzdem raste ihr Herz, und sie hatte das Gefühl, als müsste sie bei jedem Atemzug laut aufschluchzen. Die Siedlung, in der sie wohnte, tauchte zwischen dem schwarz-grünen, hin und her wogenden Zuckerrohr auf. In zwei Hütten brannte Licht. Am liebsten wäre sie von der Straße abgebogen, hätte ihren Koffer gepackt, ihre wenigen Habseligkeiten zusammengerafft, die siebzig Dollar genommen, die sie unter dem Einband eines Fotoalbums versteckt hatte, und gemacht, dass sie so schnell wie möglich nach New Orleans oder Morgan City kam.
Doch hier in der Siedlung gab es weder ein Telefon noch eine Zuflucht, falls die Leute, die Ladrine erschossen hatten, hier auftauchten, bevor sie wieder auf Achse war.
Sie fuhr weiter durch den Regen, obwohl sie nur drei Dollar im Geldbeutel hatte und der Tank bloß noch zu einem Viertel voll war. Bei der nächsten Tankstelle wollte sie halten und ihr ganzes Geld für Benzin ausgeben. Notfalls musste sie im Auto schlafen und aufs Essen verzichten, aber mit jedem Tropfen Sprit, den sie fasste, kam sie weiter von den Leuten weg, die Ladrine umgebracht hatten.
Dann kam sie um eine Kurve und musste feststellen, dass all ihre Vorsätze, alles gute Zureden, mit dem sie sich hatte beruhigen wollen, umsonst gewesen waren. Ein heftiger Windstoß, vielleicht auch ein Tornado, hatte die Strom- und Telefonmasten umgeknickt, die nun quer über die Straße und die vom Regen überfluteten Gräben lagen und ihr den Weg versperrten.
Sie fuhr zurück zur Siedlung und saß die ganze Nacht lang auf der Bettkante. Vielleicht war die Straße am nächsten Tag wieder frei, sodass sie nach Morgan City fahren und jemandem erzählen konnte, was sie gesehen hatte. Sie musste nur wach bleiben und ihre Angst bezähmen, durfte sich nicht verrückt machen lassen von dem Wind, der um die Wände heulte und an Türen und Fenstern rüttelte.
Grau und kalt brach der Morgen an, und im Halbschlaf hörte sie Laster auf der Straße. Als sie aus dem Fenster schaute, sah sie Leute, die darin saßen, sah die Möbel, Matratzen, Haustiere und das Vieh, das sie auf die Ladefläche gepfercht hatten.
Sie räumte sämtliche Kleider aus dem Schrank und stopfte sie in ihren Koffer, packte ihre besten Schuhe in die Ecken, holte die siebzig Dollar unter dem Einband des Albums heraus und legte sie obenauf. Dann nahm sie ihren Koffer und rannte hinaus auf den Hof, hatte die Autoschlüssel bereits in der Hand.
Sie blieb stehen und starrte benommen auf ihr Auto, das schief zur Seite hing. Dann sah sie, dass der rechte Vorder- und Hinterreifen aufgeschlitzt und bis auf die Felgen zusammengesunken waren.
Ein Stunde später fuhr sie ein Schwarzer auf einem mitten durch das Zuckerrohr führenden Feldweg zu einer verwitterten Hütte, vor der ein abgestorbener Pekanbaum stand. Er trug ein Flanellhemd, eine Segeltuchjacke und eine Lederkappe, die er mit langen Stoffstreifen auf dem Kopf festgebunden hatte.
»Da wollen Sie hin?«, fragte er.
»Ja. Können Sie warten, bis ich nachgeschaut habe, ob sie da is?«, sagte Mae.
»Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie zu Callie Patout wollen. Ma’am, die arbeitet in dem Nachtclub. In den Hütten dahinter.«
»Ich geb Ihnen einen halben Dollar extra, wenn Sie warten. Und noch mal fünfzig Cent, wenn Sie mich wieder zurückbringen.«
»Ladrine Theriot is bei ’ner Schießerei mit ’nem Constable umgekommen. Mit so was will ich nix zu schaffen haben. Schaun Sie, der Schornstein raucht. Sehn Sie? Sie brauchen sich also gar keine Gedanken zu machen.«
Dann stand sie vor der Hütte, allein unter dem riesigen grauen Himmelszelt, und schaute dem Pick-up des Schwarzen hinterher, der auf dem Feldweg zwischen den Zuckerrohrfeldern davonfuhr.
Callie saß auf einem hölzernen Fußschemel vor dem Kaminfeuer, hatte eine Tasse Kaffee in der Hand und wollte sie nicht anschauen.
»Was soll ich denn machen? Ich hab kein Auto«, sagte sie.
»Du bist die Einzige, die mir eingefallen is, Callie.«
»Oben
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