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Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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der Bartender und gab ihr das Blatt zurück.
    Der Barkeeper hatte beide Hände bis zu den Unterarmen im Spülwasser stecken, sodass sie nur seinen glänzenden Schädel sah, als er wieder das Wort ergriff.
    »Ich würd auf ihn hören, Mae«, sagte er.
    »Is irgendwas passiert?«
    »Ein paar Männer aus New Orleans sind hier gewesen. Weißt du, wie wir kleinen Leute über die Runden kommen? Wenn du irgendwas siehst, wenn du irgendwas hörst, machst du einfach so«, sagte er, führte die Finger zum Mund und tat so, als ob er einen Schlüssel umdrehte.
    »Hast du ihnen verraten, wo Ladrine is?«
    »Ich hab damit nix zu tun«, sagte er und ging zum anderen Ende der Bar.
    Sie fuhr im Regen zu Ladrines Bootsschuppen am Bayou. Ein letzter fahlgelber Sonnenstreifen stand am Horizont im Westen, dann erlosch er, und die Dunkelheit senkte sich über die Felder. Doch an einem Mast, der über dem Schuppen aufragte, brannte eine helle Lampe, deren Licht auf vier, fünf Autos fiel, die im Halbkreis um den Schuppen standen, wie Pfeile, die auf ein Ziel gerichtet sind.
    Der Highway war höchstens fünfzig Meter entfernt, und dort fuhren ständig Autos und Laster vorbei. Wagen, in denen es trocken war und warm, in denen ganz gewöhnliche Leute saßen, Leute wie sie. Keine Kriminellen. Leute, die wussten, dass ihre Freunde genauso waren wie sie. Diejenigen, die Glück hatten, hatten einen Job in der Raffinerie, wo sie den gesetzlichen Mindestlohn von einem Dollar und fünfundzwanzig Cent pro Stunde bekamen. Die anderen arbeiteten praktisch umsonst auf den Zuckerrohrfeldern. Aber in dem Regen und der Dunkelheit war die Straße wie ein Tunnel, und diejenigen, die sich in diesem Tunnel befanden, ging das, was draußen am Bayou geschah, nichts an. Ihr Augenmerk galt nur ihrer nächsten Umgebung, alles, was darüber hinausging, auch wenn ein Freund oder Nachbar betroffen war, nahmen sie nicht zur Kenntnis. Diesen Eindruck würde sie nie wieder vergessen.
    Die Planken auf dem Uferweg, der zu dem Bootsschuppen führte, waren gesplittert und zerbrochen, standen halb unter Wasser, und Maes Auto blieb ein paar Mal mit dampfendem Motor stecken, als die Vorderräder in eine überflutete Mulde sanken. Sie legte den Rückwärtsgang ein und stieß zur Straße zurück, stellte dann den Motor ab, schaltete das Licht aus und lief in ihrem roten Kostüm die Böschung hinab, auf den Lichtkegel über dem Bootsschuppen zu, durch den die Regenschleier wie Glas schnitten.
    Sie konnte sie sowohl durch die Wandbretter sehen als auch durch die offen stehende Hintertür, die mit einer schlammverschmierten Holzpalette verkeilt war – zwei Männer in Anzügen und zwei Polizisten in schwarzen Regenmänteln, die gleichen Polizisten, die Ladrine schon mal erpressen wollten, dazu ein einheimischer Constable, ein großer, fetter Mann, der Jeans, Cowboyhut und ein Khakihemd trug, auf dessen Ärmel die amerikanische Flagge genäht war.
    Ladrine hatte Latzhosen an, aber weder Hemd noch Schuhe, und in der feuchten Luft schimmerten seine bloßen Schultern wie Elfenbein. Er schüttelte den Kopf und fluchte vor sich hin, als er über die Männer, die ihn umstanden, hinwegblickte und sie anscheinend in der Dunkelheit stehen sah.
    »Mit euch hab ich nix mehr zu bereden«, rief er dann. »Ich geh jetzt nach Haus. Ich mach mir was zu essen. Ruf meine Enkel an. Und morgen früh arbeite ich in meinem Garten. Genau das mach ich.«
    Er wich zurück, weg von ihnen, tastete sich Schritt für Schritt über die Laufplanke und huschte auf der anderen Seite hinaus in die Dunkelheit, rannte mit bloßen Füßen den schlammigen Ufersaum entlang.
    Jemand schaltete eine starke Stablampe ein, und einer der Polizisten im Regenmantel ging unter der Schuppentür in die Hocke, legte mit beiden Händen einen vernickelten Revolver an und drückte zwei Mal ab.
    Ladrine riss den Kopf hoch, torkelte dann vornüber und zuckte mit der Hand zum Rücken, als hätte er sich beim Rennen einen Muskel gezerrt.
    Die fünf Mann, die im Schuppen gewesen waren, gingen hinaus in den Regen und richteten den Strahl der Stablampe auf den Boden, bis er Ladrine erfasste. Er wurde von Krämpfen geschüttelt, zuckte hilflos mit den Händen, als stünde sein ganzer Körper unter Strom.
    Der Schütze drückte ein drittes Mal ab, worauf Ladrines Brust einsank, fast wie ein Ballon, das Kinn herunterklappte und der Mund aufging, als wollte er den Himmel austrinken.
    Der andere Polizist holte eine in ein Taschentuch eingewickelte

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