Straße nach überallhin
erinnere mich daran, ein alter Mann gewesen zu sein“, begann er. „Steinalt … ich ging durch eine felsige Einöde. Es war neblig, und der Morgen graute beinahe schon. Meine Füße bluteten. Ich trug einen Stab, auf den ich mich häufig stützte.“
Er schob die Zigarre von einem Mundwinkel in den anderen und sah zum Fenster hinaus.
„Das ist alles“, sagte er.
„Alles? Das kann doch nicht alles sein“, warf Fleurs ein. „Willst du damit sagen, du bist aufgewachsen – oder zu dem geworden, was du heute bist … auf umgekehrte Weise? Rückwärts? Daß du als alter Mann begonnen hast?“
„Das habe ich gerade gesagt. Ja“, antwortete Red zornig.
„Paß auf die Kurve auf! Du meinst, du erinnerst dich an nichts anderes als daran, ein alter Mann gewesen zu sein, der durch eine Wüste wanderte? Oder … was hast du dieses Mal gesehen?“
„Nichts Rationales. Nur ein paar Deliriumsträume mit seltsamen Gestalten, die sich im Nebel um mich herumbewegten, und Furcht und all das … aber ich ging weiter.“
„Weißt du, wohin du gegangen bist?“
„Nein.“
„Und du warst allein …?“
„Zuerst.“
„Zuerst?“
„Irgendwo unterwegs bekam ich Gesellschaft. Ich bin mir über die Umstände immer noch nicht im klaren, aber da war noch eine alte Frau. Wir halfen uns gegenseitig über die gröbsten Stellen hinweg: Leila.“
„Du warst vor Jahren mit einer Leila zusammen, einmal hast du mich mit ihr besucht. Aber sie war keine alte Frau …“
„Dieselbe. Unsere Wege haben sich häufig gekreuzt, aber ihre Situation ähnelte der meinen sehr.“
„Sie hatte aber nichts mit deinen Geschäften mit Chadwick zu tun?“
„Nein. Sie kannte ihn nur.“
„Hat einer von euch beiden eine Vorstellung, wohin dein merkwürdiger Wachstumsprozeß führen wird?“
„Sie scheint der Meinung zu sein, dies hier sei nur ein Abschnitt in einem größeren Lebenszyklus.“
„Und du nicht?“
„Vielleicht stimmt das. Ich weiß es einfach nicht.“
„Weiß auch Chadwick dies alles über dich?“
„Ja.“
„Könnte er auch mehr wissen als du?“
Red schüttelte den Kopf.
„Unmöglich zu sagen. Ich halte aber inzwischen alles für möglich.“
„Warum haßt er dich heute so sehr?“
„Als wir auseinandergingen, war er wütend, weil ich seiner Meinung nach ein gutes Geschäft vermasselt hatte.“
„Hast du das?“
„Ich glaube schon. Aber er hatte die Natur des Geschäftes verändert, und danach hat es keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe die Sache auffliegen lassen und bin gegangen.“
„Aber er ist immer noch ein reicher Mann?“
„Sehr wohlhabend.“
„Dann halte ich auch ein anderes Motiv für möglich, nicht nur ein rein ökonomisches. Vielleicht Eifersucht, weil es dir selbst immer noch so gutgeht.“
„Möglich, aber dafür spricht nichts. Mir macht weniger sein Motiv als seine Sachlichkeit Sorgen.“
„Ich versuche nur den Feind zu verstehen, Red.“
„Ich weiß. Aber es gibt nicht mehr viel zu sagen.“
Er steuerte unter einer Brücke hindurch und scherte nach links aus. Ein Schatten, der unter der Brücke auf den Wagen gefallen war, verschwand auch im hellen Sonnenlicht nicht mehr.
„Dein Zimmer sah heute morgen schlimm aus“, sagte Mondamay.
„Ja. Das ist immer so.“
„Und was ist mit diesem Muster, das aussah wie ein chinesischer Buchstabe, das in deine Tür eingebrannt war? Ist das eine der üblichen Randerscheinungen?“
„Nein. Das ist einfach nur ein chinesischer Buchstabe. Er bedeutet ,Viel Glück’.“
„Wie erklärst du dir das?“
„Kann ich nicht. Komisch.“
Mondamay gab ein hochfrequentes, abgebrochenes Pfeifen von sich.
„Was ist komisch?“
„Ich dachte eben an ein paar Bücher, die du mir mal mitgebracht hast – mit Bildern, die du mir erklären mußtest.“
„Ich fürchte …“
„Cartoons mit Unterschriften.“
Red zündete die Zigarre an.
„Nicht komisch“, sagte er.
Der seltsame Schatten klammerte sich an die Ladefläche des Wagens. Mondamay pfiff von neuem, und Fleurs begann zu singen.
Zwei
Randy beobachtete, wie der Tag an ihnen vorbeipulsierte, jeder Intervall wurde länger, bis sich ein kalter, regnerischer Morgen um sie herum manifestiert hatte. Ahornbäume mit roten und goldenen Blättern standen neben und vor den frostüberzogenen Häusern. Er fuhr neben eine Zapfsäule.
„Das ist merkwürdig“, sagte er. „Es ist doch Sommer, nicht Herbst.“
„Hier ist es Herbst, Randy, und wenn du die
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