Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika
Lebensmittel ohne jegliche verfeinernde Zusatzstoffe. »Kein Wunder, dass hier kaum jemand etwas davon wissen will«, schimpfte ich und warf das Zeug in die Tüte zurück.
Ich ließ den Wagen an und fuhr weiter nach Wisconsin, wo ich nach einem Motel und einem Restaurant Ausschau hielt, in dem es etwas Anständiges zu essen gab, etwas, das spritzt, wenn man hineinbeißt, und am Kinn hinunterläuft. Das nennt man essen!
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»Im Northern Wisconsin General Hospital verhelfen wir Ihnen zu Ihrem Wunschkind«, verkündete eine Stimme im Radio. Oh Gott, seufzte ich. Das war auch eine dieser Neuerungen, die über das Land hereingebrochen waren, seit ich es verlassen hatte – Werbung für Krankenhäuser. Allerorten stößt man jetzt auf Werbeanzeigen von Krankenhäusern. Wozu die wohl gut sein sollen? Wenn jemand von einem Bus angefahren wird, ruft er dann etwa: »Schnell, bringt mich ins Michigan General. Die haben da einen neuartigen Magnetresonator«? Ich komme da nicht mit. Genau genommen ist mir das gesamte System der amerikanischen Gesundheitsfürsorge ein einziges Rätsel.
Kurz bevor ich zu dieser Reise aufgebrochen war, hatte ich erfahren, dass eine Freundin von mir im Mercy Hospital in Des Moines lag. Ich suchte also im Telefonbuch nach der Nummer und fand unter Mercy Hospital vierundneunzig verschiedene Telefonnummern aufgelistet. Sie begannen mit A wie Aufnahme, und weiter ging es in alphabetischer Reihenfolge mit Biofeedback, Krebs-Hotline, Osteoporoseprogramme, Public Relations, Säuglingsapnoe-Hotline, etwas mit dem Namen Share Gare Ltd. und so weiter und so fort. Aus Amerikas Gesundheitsfürsorge ist ein gigantischer Industriezweig geworden, der ganz und gar außer Kontrolle gerät.
Die Freundin, die ich besuchte, hatte soeben erfahren, dass sie an Eierstockkrebs litt. Hinzu kam eine Lungenentzündung. Wie Sie sich sicher vorstellen können, war sie ziemlich angeschlagen. Während ich an ihrem Bett saß, kam ein Sozialarbeiter
herein und informierte sie behutsam über einige Kosten ihrer Behandlung. So hatte meine Freundin beispielsweise die Wahl zwischen dem Medikament A für 5 Dollar pro Dosis, das viermal am Tag eingenommen werden musste, und dem Medikament B für 18 Dollar, das nur einmal täglich einzunehmen war. Die Aufgabe des Sozialarbeiters bestand darin, zwischen Arzt, Patient und Versicherungsgesellschaft zu vermitteln und nach Möglichkeit zu vermeiden, dass der Patient mit allzu vielen Rechnungen überhäuft wurde, die die Versicherung nicht bezahlt – ein Service, für den man meine Freundin natürlich ebenfalls zur Kasse bitten würde. Es schien so verrückt, so unwirklich, zuzusehen, wie eine alte Freundin mehr tot als lebendig Luft aus einer Sauerstoffmaske sog und dabei mit einem schwachen Nicken oder Schütteln ihres Kopfes Fragen über die Fortsetzung ihres Lebens beantwortete, die sich allein auf ihre Zahlungsfähigkeit bezogen.
Entgegen der im Ausland vorherrschenden Meinung ist es sehr wohl möglich, sogar ziemlich unproblematisch, sich in Amerika unentgeltlich ärztlich versorgen zu lassen. Nämlich in den Bezirkskrankenhäusern. Das sind zwar im Allgemeinen alles andere als heitere Orte, aber sie sind nicht schlechter als jedes britische NHS-Krankenhaus. In einem Land wie Amerika, in dem 40 Millionen Menschen ohne Krankenhausversicherung leben, muss es die Möglichkeit unentgeltlicher ärztlicher Versorgung geben. Aber wehe dem, der Geld auf der Bank hat und trotzdem versucht, in einem Bezirkskrankenhaus kostenlos ein wenig Gesundheitsfürsorge zu ergattern. Ich habe ein Jahr im Bezirkskrankenhaus von Des Moines gearbeitet, und ich kann Ihnen sagen, die beschäftigen ein Heer von Rechtsanwälten und Schuldeneintreibern, deren Job es ist, die finanziellen Verhältnisse der Leute auszukundschaften, die ihre Einrichtungen beanspruchen, und sicherzustellen, dass sie wirklich so arm sind, wie sie vorgeben.
Mag das amerikanische System privater Gesundheitsfürsorge
auch noch so schwachsinnig sein, nirgends auf der Welt gibt es eine qualitativ bessere medizinische Versorgung als in diesem Land. Meiner Freundin wurde eine erstklassige und umfassende Behandlung zuteil (nicht zufällig wurde sowohl ihr Krebs als auch ihre Lungenentzündung geheilt). Sie lag in einem Einzelzimmer mit eigenem Bad, hatte einen Fernseher mit Fernbedienung, einen Videorecorder und ein Telefon zur Verfügung. Das gesamte Krankenhaus war mit Teppichboden ausgelegt. An den Wänden hingen farbenfrohe Bilder, und
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