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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Leinen mit sich oder überprüften mit an Stangen befestigten Spiegeln die Autos, die vor dem Gebäude am Jefferson Drive geparkt waren. Ich ging auf einen der amerikanischen Sicherheitsmänner zu und fragte ihn, wer denn erwartet würde. Er entgegnete, dass er mir darauf keine Antwort geben dürfe, was ich merkwürdig fand. Hier stand ich nun, in einem Land, in dem ich dank des verfassungsmäßig verankerten Informationsrechts herausfinden konnte, wie viele Zäpfchen Ronald Reagan
im Jahr 1986 verschrieben worden waren (genau 1472), aber in Erfahrung zu bringen, welcher ausländische Würdenträger in Kürze auf den Stufen eines öffentlichen Gebäudes erscheinen würde, sollte nicht möglich sein? Eine Dame neben mir verriet es mir dann: »Es ist Nakasone. Der japanische Präsident.«
    »Oh, wirklich«, antwortete ich, stets bereit, einer leibhaftigen Berühmtheit in die Augen zu schauen. Ich fragte den Sicherheitsmann, wann er ankommen würde. »Auch darauf darf ich Ihnen keine Antwort geben, Sir«, klärte er mich auf und ging weiter.
    Für ein Weilchen mischte ich mich unter die Menge und wartete auf Herrn Nakasone. Dann wurde es mir zu bunt. »Warum stehe ich hier eigentlich?«, fragte ich mich und überlegte, wer aus meinem Bekanntenkreis sich davon beeindrucken ließe, dass ich den Premierminister von Japan mit eigenen Augen gesehen hatte. Ich stellte mir vor, wie ich meinen Kindern erzählte: »Hört mal, Kinder, ratet mal, wen ich in Washington gesehen habe – Yasuhiro Nakasone!« Ratloses Schweigen würde mir entgegenschlagen. Also ging ich weiter. Zum National Air and Space Museum, das interessanter zu sein versprach.
    Es erwies sich dann aber doch als nicht annähernd so interessant, wie es hätte sein sollen, wenn Sie mich fragen. Noch in den fünfziger und sechziger Jahren war das Smithsonian gleichbedeutend mit dem Castle. Die gesamten Besitztümer des Instituts stapelten sich in diesem einen herrlich düsteren, modrigen, alten Gebäude. Mit seinem kunterbunten Durcheinander war das Castle so etwas wie der Dachboden der Nation. Da lag das Hemd, das Lincoln trug, als er erschossen wurde mit einem braunen Blutfleck über dem Herzen. Daneben stand ein Diorama, das eine zum Abendessen versammelte Navajo-Familie darstellte, und von den Dachsparren hingen die Spirit of St. Louis und das erste Flugzeug der Gebrüder Wright herab. Nie wusste man, was einen hinter der nächsten Ecke erwartete. Heute wirkt dagegen alles pedantisch aufgeräumt. Jedes Ding
steht sauber und ordentlich an einem eigens dafür vorgesehenen Platz. Man geht in das Air and Space Museum und sieht die Spirit of St. Louis und das Flugzeug der Gebrüder Wright und viele andere berühmte Flugzeuge und Raketenträger, und alles ist sehr beeindruckend, aber auch irgendwie steril und fantasielos. Es gibt nichts mehr zu entdecken. Käme hier mein Bruder auf mich zugestürmt und würde grölen: »Mann, du errätst nie, was ich in dem Raum da drüben gefunden habe!«, dann könnte ich es eben doch mehr oder weniger erraten, denn es konnte sich nur entweder um ein Flugzeug oder einen Raketenträger handeln. Im alten Smithsonian hätte es absolut alles sein können – ein versteinerter Hund, der Skalp von General Custer oder in gläsernen Gefäßen schwimmende menschliche Köpfe. Heute ist praktisch jegliches Überraschungsmoment ausgeschaltet. So verbrachte ich den Tag damit, pflichtbewusst und voller Respekt die verschiedenen Museen abzuklappern. Es war interessant, aber nicht gerade aufregend. Noch immer gab es so viel zu betrachten, dass ein ganzer Tag verging und ich am Ende nur einen Bruchteil all dessen gesehen hatte.
    Am Abend spazierte ich über die Mall zum Jefferson Memorial. Ich hatte gehofft, in der Dämmerung dort zu sein, doch ich kam zu spät. Noch ehe ich den Park erreicht hatte, war es stockfinster. Ich rechnete damit, überfallen zu werden. Wer sich in einer so rabenschwarzen Nacht in einen städtischen Park wagt, hat es nicht besser verdient. Doch anscheinend konnten mich selbst die Straßenräuber in dieser Dunkelheit nicht sehen. Die einzige Gefahr, der ich mich aussetzte, war, von einem der vielen, unsichtbar über die Wege spurtenden Jogger über den Haufen gerannt zu werden. Das Jefferson Memorial war wunderschön. Es besteht aus nicht viel mehr als einem großen, marmornen Rundbau, in dem sich eine gigantische Statue von Jefferson befindet. Wenn das Denkmal nachts erleuchtet wird und das Licht sich über das Wasser des

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