Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
Vom Netzwerk:
kleine Junge auf so wunderbare Weise scheitern könnte. Di e ser künftige Sturm, der über seinen kleinen englischen Blon d schopf hereinbrechen sollte, und er sah nur eine verbale A b surdität. Er war wie die Jungen, die ich vor dem Krieg in Lo n don kannte, die sich während einer Bombardierung über Cri c ket unterhalten konnten. Keiner von uns war schlauer. Dem Mädchen – das so endgültig, so unverrückbar in ihrem schäb i gen Kleid aussah, wie es in diesem großen, hässlichen Hof saß – wäre die Bedeutung der grausamen Scherze von Alex ni e mals entgangen. Und sie hätte sie auch nicht komisch gefu n den. Sie wären an ihrer Endgültigkeit abgeprallt wie zerbrec h liche Zweige an einem Panzer. Als wir sie auf den morschen Holzstufen zurückließen, die zu ihrer unvorstellbaren Wo h nung emporführten, da sagte sie: › Waren Sie im Krieg? ‹ Wie können wir wissen, was ihr diese Frage wirklich bedeutet hat? «

5
     
    »Die Streitigkeiten, die wir seinetwegen hatten! « ruft Joanie aus. Aus dem weiten Gebiet unter uns, der Ausdehnung der Wellenbrecher, steigt der Seegeruch empor, den der Lake M i chigan erzeugen kann, und spült über uns hinweg, ein sonne n loses, unmenschliches Bad. Ich kann den Bug einer Yacht auf uns zukommen sehen, sie rollt langsam dem Hafen entgegen, halb in weißem Nebel verborgen.
    »Weswegen? « fragte ich verwirrt.
    »Oh, du erinnerst dich doch, nicht? Als wir letzte Woche hier draußen waren? Vielleicht erinnerst du dich nur an das, was danach geschehen ist. «
    »Nur an das danach «, sage ich.
    Sie dreht sich zu mir um, sie steht einen Schritt vom We l lenbrecher entfernt und sieht mit braunen Augen zu mir auf. »Ich auch «, sagte sie und strahlt mich an. »Danke. Gott sei Dank, dass du hier bist. « Sie greift nach mir, und ich nehme ihre Hand in meine. In der marineblauen Windjacke und den gelben Hosen sieht Joanie wie achtzehn und strotzend vor j u gendlicher Gesundheit aus.
    »Erträgst du noch mehr Gerede darüber – über mich, meine ich? Ich habe so vieles, worüber ich reden und nachdenken muss . Himmel, du musst meine Monologe doch allmählich satt haben! « Wenigstens dieses spricht sie mit Nachdruck aus, wendet den Kopf von mir ab und sieht zu dem halb sichtbaren Bug des einlaufenden Boots.
    »Ich bitte doch förmlich darum, oder nicht? Ich kann kaum sagen, dass es aussieht, als würdest du mich langweilen. « Ich bringe mein Gesicht dazu, große Wärme auszustrahlen.
    Sie geht darauf ein und antwortet, indem sie überlegt. »Weißt du, ich glaube nicht, dass ich dich auch nur zu einem winzigen Teil verstehe. Nun, ein paar Dinge an dir verstehe ich. Aber warum du so gut zu mir bist, während alle anderen, sogar Morgan ein wenig, grün werden, wenn ich das Zimmer betrete – das ist eine Gabe. «
    Ich sehe, wie ihre Augen mein Gesicht erforschen und b e greife, dass Joanie völlig aufrichtig ist. Sie kann meine Bezi e hung zu ihr nicht verstehen: bis zu welchem Ausmaß ich ledi g lich Eigentherapie betreibe. Mir ist klar, dass sie mit einem G e ständnis zu Morgan gehen würde – »für unser aller Wohl « –, wenn ich versuche, frivol zu ihr zu sein.
    Mach es einfach, denke ich. »Wenn es eine Gabe ist, dann einfach eine, die du verdienst. Als wir am ersten Abend auf dich gewartet haben, da bat uns deine Mutter, so freundlich wie möglich zu dir zu sein. Ich habe nur mehr Möglichkeiten als sie. Ich bin ein Außenstehender. «
    »Mutter wäre erfreut zu hören, wie gründlich du ihren Rat befolgst «, sagte Joanie. »Guter alter Außenstehender. «
    Sie dreht sich wieder um und geht vor mir auf dem schm a len Weg neben der hohen, seewärts gerichteten Wand des Wellenbrechers. Wir haben das letzte große Dock passiert – ein Betonsteg auf der anderen Hafenseite –, ebenso die g e beugten Gestalten der Fischer auf den Wellenbrechern. Die Männer sind zuerst als Schemen sichtbar, dunkle Gestalten im Nebel, und werden unvermittelt deutlich, wenn wir uns ihnen nähern, dicke Männer, über fünfzig, in Khakijacken, die Jo a nie verstohlen über die Schultern hinweg betrachten. Ihre ge l ben Hosen schwingen selbstbewusst durch das Labyrinth ihrer Blicke.
    »So weit war ich noch nie draußen «, sagt sie in die leere Luft vor ihr. »Fast so weit wie der Leuchtturm und das seltsam klotzige Gebäude daneben. Sollen wir ganz hinausgehen ? Dann könnten wir das Boot direkt an uns vorbeifahren sehen. «
    »Ja, einverstanden «, sage ich. »Wir können am Ende auf

Weitere Kostenlose Bücher