Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
Vom Netzwerk:
jetzt in den See stürzen und ertränken. Ich kann einfach nicht zu Hause leben. Ich kann über nichts mit ihnen reden. Und jetzt habe ich Angst davor, mit Morgan zu sprechen! « Ein ku r zer, fragender Blick in meine Richtung.
    »Ich habe mich mit einem Neger getroffen, wenn Fred nicht da war. Wie denkst du darüber? «
    Ich nicke.
    »Anfangs fand ich ihn wunderbar. Er war so normal. Wir konnten Tage miteinander verbringen und nur reden. Einen Mann wie ihn hatte ich noch nie kennen gelernt . Aber die Ta t sache, dass er schwarz war, hat alles verdorben. Er nahm an allen möglichen Black-Power-Veranstaltungen teil und konnte das nicht damit in Einklang bringen, mit mir zusammenzul e ben. Das kam natürlich, als ich schon aufgrund aller anderen Probleme nicht mehr aus noch ein wusste . Als er dann schlie ß lich ging, hat er Freds Tonbandgerät und die Hälfte meiner Bücher gestohlen. «
    Sie steht auf und presst die Hände an meinen Kopf. Sie drückt fest. »Was stimmt nur nicht mit mir? Himmel, warum bin ich immer so verdammt verkorkst? Ich habe dir noch nicht einmal die Hälfte erzählt. Wie ich einmal von einem Matrosen in Roxbury verprügelt worden bin, wie ich meinen Unterricht aufgegeben habe, oder …
    Herrgott, ich weiß nicht. Wie ich geschlechtskrank wurde. Meine Abtreibungen. « Sie sieht auf mich herab, ob mir der Plural aufgefallen ist. »Das wäre eine Geschichte, aber die will ich dir ersparen. «
    »Erzähl mir von den Streitereien «, sage ich. »Von denen du erzählen wolltest, als wir hier am Wellenbrecher anfingen. «
    »Welche Streitereien? «
    »Deine Streitereien. Die alten, von denen du mir erzählen wolltest. «
    »Oh, ich weiß! Wegen Vito Pinelli. Davon wollte ich dir e r zählen. Ich glaube, das ist eine komische Geschichte. Mein Gott, du bist ein guter Zuhörer. Ich wünschte, ich könnte dich behalten. « Sie neigt sich im Nebel auf eine Seite. Ihre glänze n den braunen Schuhe machen tapp tapp auf dem feuchten Stein.
    (»Ich wünschte, ich könnte dich behalten « – die Frau sollte dasselbe ein Jahr später zu mir sagen, als sie nackt mit mir auf dem Bett des Hotels Gaugin in Arles lag. »Ich wünschte, ich könnte dich behalten, aber du wirst meiner bereits überdrü s sig. « Sie zog das Laken über uns. »So siehst du wunderbar aus «, sagte sie. »Wie ein schlafender Bär. Ein großes, gieriges, zotteliges Geschöpf. Ich kann sehen, wie du einfach davo n gehst und mich vergisst , kaum dass du mir den Rücken zug e wendet hast. «
    Ein anderes Ereignis stand damit in Zusammenhang: Sie e r zählte mir einen Traum, in dem ich am Ende eines Blocks st e he – beim Russel Square, glaubte sie –, auf dem sie hilflos steht. Ich winke, lächle, verlasse sie. Ich scheine glücklich zu sein und achte nicht auf ihr Leid.)
    »Nun, Vito. Das ist schon eine Weile her. Aber wie die S a che mit dem Make-up sehr deutlich in meine Erinnerung ei n gegraben … Nein, ich weiß nicht, warum das so ist. Es war Jahre später. Ich war Neuling an der High School, der öffen t lichen Schule, zu der ich überwechse lt e, nachdem ich die Schule verlassen habe, die du und Morgan besucht habt. Ich war zwei Jahre dort, dann steckte Papa mich in diese Mä d chenschule, dieses Gefängnis, in New Hampshire. Vito war in der Grundklasse und gehörte der North Side Mafia an, wie wir sie nannten. Er war ein untersetzter Bursche mit schwarzen Locken und einem sehr dichten Bartwuchs für jemand seines Alters – eine Freundin sagte mir, dass er sich zweimal täglich rasieren musste . Man sagte, er sei zäh und wild, ein Gangste r typ, wie alle seine Freunde. Keiner von ihnen kümmerte sich darum, wie sie in der Schule abschnitten. «
    »Wie bist du zuerst mit ihm ausgegangen? « frage ich. Wa r um, muss ich nicht fragen.
    »Sein Spind war direkt neben meinem. Ich habe ihn Jedes Mal , wenn ich aus einer Unterrichtsstunde kam, auf dem Flur beobachtet. Wenn er an seinem Spind war, lief ich den Flur entlang und redete mit ihm. Himmel! Ich sagte alles, um ihn dazu zu bringen, mit mir zu reden. › Ich liebe italienische Mä n ner ‹ oder › Lasst ihr wirklich während des Unterrichts ein R a dio spielen? ‹ Dann hörte ich von einer Freundin, dass er über mich redete. Er nannte mich › ein hübsch saftiges Stück WASP-Fleisch ‹ . «
    Das alles ist ausgesprochen Teil von allem, was ich über Joanie weiß: ihre Neigung, mit sexuellen Gefahren zu spielen, ihr rebellischer Charakter als Teenager. Während sie weiter

Weitere Kostenlose Bücher