Straub, Peter
gestreifte Badeh os e, die ich heute Morgen von einem ko r sischen Ladenbesitzer gekauft hatte, der darauf bestanden ha t te, dass ich Engländer sei. »London est tres belle «, hatte er zu mir gesagt. »Viele von uns sind dort. C ’ est tres, tres belle. « Ich sagte ihm, dass ich in vielen ihrer Restaurants gegessen hatte. »Magnifique «, sagte ich. »La cuisine de la Corse est tres, tres magnifique. « Ich hatte nicht beabsichtigt gehabt, se i ne Sprechweise nachzuahmen, aber es war einerlei, er hatte es nicht bemerkt.
Die Frau verharrte einen Augenblick auf dem Betonstreifen am Fuß der Brücke, dann sprang sie ohne zu zögern ins Wa s ser. Das Wasser kräuselte sich um sie herum ohne zu spritzen. In der Welle, die sie erzeugte, bog sie sich anmutig und ve r schwand dann mit ausgestreckten, zusammengekniffenen Be i nen unter der Wasseroberfläche. Ich konnte das Weiß des B i kinis nur einen Augenblick sehen, dann war sie verschwunden. Ich stand lediglich bis an die Knöchel im kalten Wasser und spürte, wie meine Haut sich durch den Temperaturunterschied zusammenzog. Sie war fort. Ich watete auf dem abschüssigen Stein weiter. Einige närrische Sekunden lang wähnte ich sie verloren, verschwunden im Gewirr von Beton und Röhren am Fuß der Brücke. Als ich den Kälteschock endlich überwunden hatte und weiter watete, tauchte sie wieder auf – sechs Meter drinnen, spritzend und plätschernd.
»Es ist herrlich! « sagte sie und schleuderte das Haar über die Stirn zurück. Es bildete eine glatte, dunkelblonde Mütze über ihren dunkleren Brauen und der Stirn. Sie schlug mit den Armen auf das Wasser, dass es spritzte.
»Was machst du denn da? « rief sie mir zu. »So geht man nicht ins Wasser! « Sie kam näher und ließ einen Arm kreisen, so dass mich kaltes Wasser übergoss wie von einem Sprin g brunnen. »Einfach springen. «
Ich schloss die Augen und tauchte. Als ich sie unter Wasser öffnete, sah ich unter mir den Beton, grünlich und von schlüpfrigen Algen bedeckt. Ich strampelte mit den Beinen und spürte, wie sich mein Körper an den Schock der Wasse r temperatur gewöhnte. Das Muster des Betons und der Steine kippte hinab ins düstere Flussbett und verlor sich in grünen Schattierungen. Ich machte eine Rolle vorwärts und sah zur Oberfläche empor. Sie war milchig weißglühend, ein Lich t schirm, der so verzerrt wie der Spiegel in einem Spiegelkab i nett war. Ich sah nichts anderes als Licht. Ich bewegte meinen Körper auf diesen nicht reflektierenden Spiegel zu, schien mich aber mit großer Langsamkeit zu bewegen.
Die Oberfläche zerplatzte zu Blasen. Luft strömte in mich ein. Ich riss die Hände hoch, strich mir die Haare aus der Stirn und befreite mich vom Wasser. Am Rande meines Sehbereichs konnte ich die Frau sehen. Sie ließ sich auf dem Wasser tre i ben. Ihre Beine vollführten schnelle, entschlossene Bewegu n gen, ihr Körper schoss flussabwärts .
»Was für ein Sternzeichen bist du? « Sie rief die Frage laut, wie alle Menschen es beim Schwimmen tun, während sie auf das turbulente Wasser hinter sich zutrieb.
»Schwimm nicht so weit hinaus! « rief ich zurück. »Das Wasser dort sieht gefährlich aus! « Selbst in dem ruhigen go l denen Teich, wo wir schwammen, konnte ich eine Strömung spüren, die mich zu dem wilderen Wasser ziehen wollte.
Sie lachte. »Schon recht! « Sie wirbelte unerwartet herum, so dass das Weiß ihres Bikinis wieder oberhalb der Oberfläche zu sehen war. Ihre Arme schnellten rhythmisch in die Luft, entsprechend der Bewegung ihrer Beine. Sie schwamm auf mich zu.
»Siehst du? Ich bin eine gute Schwimmerin. « Das stimmte. Sie schien ganz in ihrem Element zu sein.
»Ich habe gefragt, was für ein Sternzeichen du bist. « »F i sche. Fische lieben das Wasser. Das ist herrlich. « Ich konnte mich nicht daran erinnern, was für ein Sternzeichen ich war. Fische? Sheila Goldsmith hatte es mir einst gesagt. Ich stra m pelte mit den Beinen, um in flacheres Wasser zu gelangen, wo ich stehen konnte, dabei spürte ich die Strömung, die mich flussabwärts zog, zum weißen Wasser. Sie lachte erneut, in dem goldenen Bassin war nur ihr Kopf zu sehen.
2
»… denn ich möchte – auch das ist Teil meiner Zügellosigkeit bei Dir – direkt ins Zentrum des Lebens eines anderen eindri n gen, ich möchte imstande sein, das Geheimnis zu erfahren, welches diesem Zentrum innewohnt. Dort ist Gewalt, Risiko. Für mich ist das gegeben. Es steht auf gleicher Stufe mit dem
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