Straub, Peter
Trunkenheit und durch ihren Liebesakt aufgebaut hatten, nicht stören; daher ging ich wieder in unser Zimmer. Die Frau schlief. Wo war die Freundin des Gitarrenspielers?, überlegte ich mir.
Ich mag es, wie du fickst. Du bist wunderbar.
Warum?
Oh, du Monster, du möchtest lediglich Komplimente hören. Weil du so kräftig bist – hier, am Rücken und der Brust. Ich liebe deine Schultern.
Ich deine auch.
Du bist unmöglich. Sag mir, wie hast du deine Jungfrä u lichkeit verloren?
Mit meiner Frau.
Nein.
Doch. Wir waren siebzehn. Wir waren auf einer Party am Strand, und ich war ungezogen zu ihr gewesen. Ich hatte sie eine Woche lang nicht angerufen. Als wir auf der Party schließlich wieder miteinander sprachen, kam die Polizei, und wir versteckten uns am Ufer. Dann fingen wir einfach an, und sie wollte nicht, dass ich aufhöre. Hätte sie es gewollt, hätten wir vielleicht nie geheiratet.
Fass mich an.
So. Las es mich mit dem Mund tun.
Nein, bitte. Ich mag diese Sachen nicht – diese Kamasutra-Sachen . Wo bist du?
Hier.
Berühre mich mit ihm. Du bist so hübsch dort. Männer sind so verwundbar.
Am Morgen war der Platz, die nächtliche Arena verschiede n ster Aktivitäten, menschenleer, ein Stillleben im fahlen So n nenlicht, das jede Einzelheit der an seinem Rand schlafenden Automobile deutlich machte, ebenso wie der umliegenden Häuser. Die anderen Hotels jenseits des Platzes machten einen narkotisierten Eindruck, ähnlich einem Mann, der träge, noch halb schlaftrunken, ans Telefon geht; aber trotz ihres verschl a fenen Erscheinungsbildes waren sie schärfer umrissen als zu anderen Tageszeiten, wenn die Menschenmengen sie zu schlic ht en Hintergrundkulissen machten. Als ich erneut auf dem Balkon stand, fühlte ich mich gut. Der erste Morgen in einer neuen Stadt, die man zum ersten Mal menschenleer und bar jeglicher Aktivität erblickt, besitzt etwas latent Erwa r tungsvolles, ein Versprechen. Als ich auf dem Balkon über dem sonnigen, verlassenen Platz stand, dachte ich, allen Mo r gen könnte dieses Versprechen eigen sein. Ich dachte an die Gelegenheiten, wenn die Sonne bereits mehrere Stunden au f gegangen ist, aber sich noch keine Menschen haben blicken lassen, wenn selbst eine vertraute Stadt, eine Ecke, die man genau kennt, surreal zu sein scheint, nur notdürftig bekannt, freigewaschen von allen früheren Tönungen. Um sechs Uhr dreißig am Morgen, dachte ich, gehören alle Städte Magritte.
In dem allmählich heller werdenden Zimmer schlief die Frau immer noch. Ich blieb noch eine oder zwei Minuten länger über dem unwirklichen Platz auf dem Balkon stehen und genoss die Wärme, welche die Stadt bereits erfüllte. Dann ging ich in unser Zimmer zurück. Durch einen Trick des Lichts wich der Balkon zurück und schrumpfte. Einen Augenblick hatte ich eine seltsam beunruhigende Vision des goldübergossenen Platzes, als würden gemalte Figuren sich schmerzerfüllt darauf bew e gen; sie gehörte nicht hierher, sie war ungewollt; doch das Bild löste sich auf und ich sah die Frau. Wie ein treusorgender Eh e mann legte ich mich neben sie, ohne sie zu wecken.
Zwei Stunden später erwachten wir gemeinsam. »Es ist schon warm «, sagte sie. »Es wird ein schrecklich heißer Tag werden. Vielleicht können wir in der Rhone schwimmen. « Sie richtete sich auf, sie sah wie eine Löwin aus. »Guten Morgen, Geliebter «, sagte sie. Wir küssten uns. »Großer Gott, ich mag es, wie du küsst . So abenteuerlich. «
»Mir ist abenteuerlich zumute «, sagte ich. Sonneng eb räunt und mit wilder Frisur tastete sie auf dem Laken nach mir. Wie an einem unserer letzten Tage in London, trieb uns auch heute die Hitze den Schweiß aus den Poren, ein feuchter Film auf der Haut, so dass wir aufeinander glitten und schwammen und auf der Welle des Schweißes zwischen uns ritten.
Später lagen wir aneinander gekuschelt auf dem Bett in dem hellen Hotelzimmer. Der Platz draußen hatte begonnen, sein Instrumentarium zu richten: Autotüren wurden zugeschlagen, und über Motorenlärm hinweg konnten wir Stimmen hören. Ich verstand nichts von diesem schnellen, betonten Franz ö sisch.
»Ich wünschte, ich könnte dich behalten «, sagte die Frau.
»Kannst du. « Ich befand mich in einem angenehmen Rausch körperlichen Wohlbefindens; wenn ihre Stimme einen schroffen Klang hatte, so war ich zu benommen, ihn zu hören.
»Nein. Ich wünschte, ich könnte dich behalten, aber du wirst meiner bereits überdrüssig. « Auf einen
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