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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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Platte fällt auf den Plattenteller. Ich zucke zusammen, als ich an die empfin d lichen Rillen denke.
    Jack Goldsmith nimmt die Stelle seiner Frau ein. »Hallo, Jack. Haben Sie die hausgemachte Prophezeiung gelesen? « Als ich das sage, höre ich meine eigene undeutliche und n u schelnde Stimme: Ich bin betrunken, oder ich nähere mich rasch diesem Stadium.
    Der hagere Jack beugt sich über mein Gesicht, als wollte er mich küssen. Als er so nahe bei mir ist, kann ich Whiskey ri e chen. Auf seiner Stirn und auf den Wangen sind beängstigend rote und weiße Flecken. »Ich muss mit Ihnen reden «, flüstert er. »Verschwinden wir von hier. «
    Er steht auf und zieht mich in die Höhe. Ich sehe ih m n ach, wie er zickzackförmig zwischen den tanzenden Paaren ve r schwindet, dann erst wird mir klar, dass ich ihm folgen soll. Ich leere mein Glas und gehe auf die Tür zu, wo er nervös steht. Die Tänzer sind eine Wolke der Bewegung, durch die ich mich ungeschickt hindurchbewege, wobei ich Schultern anremple und auf Füße trete.
    Kurz vor der Tür nimmt Morgan meine Hand und sieht mir ins Gesicht, sie sieht überrascht und erbost aus. »Was ist g e schehen? Gehst du weg? «
    Ich strecke die andere Hand aus. Sie hält die leere Flasche Teacher ’ s. »Jack und ich gehen nur einen Augenblick weg. Gleich um die Ecke ist ein Spirituosenladen. «
    Jacks fleckiges Gesicht schaut um die Ecke. »Wir sind gleich wieder hier, Morgan. Machen Sie sich keine Sorgen um ihn. « Dann nimmt er mich am Ellbogen und schiebt mich zur Tür hinaus.
    Auf dem dunklen Flur, der lediglich vom Licht hinter der halb geöffneten Tür erhellt wird, ergreift Jack meinen Arm und führt die andere Hand zum Kopf, als wollte er dort im Wind einen Hut festhalten.
    »Ich werde verrückt! Ich muss mit Ihnen reden! Und dort unten wartet eine Frau, die Sie sprechen möchte. Sie hat mich angesprochen, als ich hoch ging. Hören Sie, können Sie nicht diese alberne Flasche wegstellen? «
    Er schiebt mich zum Ende des Flurs und öffnet eine Tür, die ins Treppenhaus führt. Er flüstert immer noch eindrin g lich. »Ich werde einfach verrückt, Owen, und es ist wegen Sheila. Sie ist an zwei Abenden in der Woche weg, sie kommt zurück und riecht nach Zigarren, sie redet nicht mehr mit mir, sie bekommt merkwürdige Telefonanrufe, und de r weil reiße ich mir die Haare aus! « Er rudert im Flur wild mit den Armen, die ungestüme Geste ist ein schroffer Kontrast zu seinem Flüstern.
    »Was kann ich tun, gottverdammt, ich liebe sie, und sie fla t tert herum! Wissen Sie etwas davon? Können Si e m ir sagen, wer es ist? Ich wüsste nur gerne, wer der Dreckskerl ist! «
    Ich frage: »Wer wartet unten auf mich? Eine Frau? «
    »Verdammt, hören Sie mir zu Sheila hat eine Affäre mit j e mandem! Sie redet ununterbrochen mit Morgan am Telefon – sie müssen sich doch darüber unterhalten – wissen Sie etwas darüber? Scheiße, hören Sie mir überhaupt zu? « Jack trampelt im Flur auf und ab.
    »Ich sehe, wie diese Sache sich hinzieht, aber ich verstehe es nicht! « Inzwischen brüllt er fast. »Sie müssen es mir s a gen! «
    Der Kopf einer Frau schaut aus der nächstgelegenen Tür in den Flur heraus. »Guten Abend, Mr. Goldsmith «, schnieft sie. »Ich bin sicher, Sie wollen uns nicht stören, aber könnten Sie sich vielleicht etwas mäßigen? Es ist wirklich etwas laut. « E i ne etwas verwaschene Cockney-Stimme: mit Bloomsbury-Akzent. Sie sieht uns böse an, dann verschwindet sie wieder hinter der Tür.
    »Entschuldigung, Entschuldigung, Mrs. Vetch. « Jack b e trachtet den jauchefarbenen Teppich. »Verdammte Nachbarn! Machen nie etwas anderes als das verdammte Coronation Street in ihren verdammten Fernsehern anglotzen. Hört man durch die verdammten Wände. « Er hat die Stimme gesenkt: die Unterbrechung scheint ihn etwas beruhigt zu haben.
    »Hören Sie «, sagt er, »Sie sind der einzige, dem ich ve r trauen kann. Sie sind unbeteiligt, Sie sind der einzige Erwac h sene in dieser ganzen Bande. Wissen Sie, was los ist? « Sein immer noch fleckiges Gesicht ist aufgedunsen und verzerrt. Plötzlich wird mir klar, dass er weinend um den Platz gega n gen sein muss .
    Ich empfinde – ohne im Geringsten über seine Situation nachzudenken – eine atavistische, durch und durch primitive Verachtung für ihn. Ich habe zwei Frauen, er kann eine nicht behalten.
    »Ich bin sicher, Sie machen aus einer Mücke einen Elefa n ten, Jack «, sage ich. »Es gibt keine echten Beweise

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