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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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Das Ende des kleineren Durc h gangs hatte durch einen Torbogen in einen weiteren Gang g e führt, der von den Eingängen zu Zimmern oder Kammern u n terbrochen war, die sich am anderen Ende einst zur Arena hi n aus geöffnet hatten. Ich dachte daran, dass die Römer in diesen Kammern vielleicht ihre Tiere gehalten hatten, während ich mich derjenigen näherte, in die sie gegangen waren, oder di e jenigen, die dazu verurteilt waren, mit diesen Tieren zu käm p fen. Die La Rochelles waren in die vierte davon gegangen, die sich in diesem schmalen, staubigen Gang befand. Seit ich die Hauptarkade verlassen hatte, war die Atmosphäre immer gruftähnlicher geworden, daher überraschte e s m ich zuerst nicht, dass ich überhaupt kein Geräusch hörte, als ich am Ei n gang der winzigen dunklen Kammer stand. Ich konnte spüren, wie mein Herz heftig in der Brust pochte. »Hallo? « sagte ich.
    Niemand antwortete mir. Der Raum war vollkommen leer. Die Kammer war von der offenen Arena durch einen undurc h dringlichen Bretterverschlag getrennt, der mit Bolzen in der Steinmauer befestigt war. Es war ein runder, völlig stiller Raum, eine ausgehöhlte Zelle in einem Ei aus Stein. Ich ließ die Luft aus meiner Lunge entweichen. Der Stein absorbierte das Geräusch auf der Stelle.
    Zu meinen Füßen sah ich etwas in der Dunkelheit schi m mern. Einen Augenblick dachte ich, die La Rochelles hätten mir eine Nachricht hinterlassen, die alles erklärte; aber als ich das weiße Dinge aufhob, handelte es sich lediglich um ein a b gerissenes Stück altes Zeitungspapier. Das Papier fühlte sich unter meinen Fingern trocken und brüchig an. Ich hielt es vor meine Augen und versuchte zu lesen, was darauf stand. Im Dämmerlicht in der Zelle konnte ich die Buchstaben erst al l mählich entziffern.
     
    lage von Ersheim im
    drei zehnten und vierzehnten Jahrhun
    über den Neckar und kam unter das Pro tektorat
    von Burg Hirschhorn.
    Die kleine Kirche von Ersheim ist sehr alt, und kan n
    b is ins Jahr 773 zurückverfolgtwerden. In ihrem
    Inneren beherbergt sie eine Reihe von Grabsteine n
    b erühmter Ritter zudem einige ungewöhnlich e
    f rüheFresken. Auf demFriedhofsteht der berühmte
    › Kummerstein ‹ , etwa aus dem Jahre 1412, wo sic h
    e in › ewiges Licht ‹ zum Trost der armen Seele n
    b efan d, deren Knochen im Gebeinehaus
    dahinte r v erwahrt wurden.

4
     
    »Du klammerst Dich an eine Vorstellung von Wahrheit, die Du wie eine Geliebte hältst … Ein Roman, der Dir gefallen würde: Anna Karenina … Fällt mir ein, dass Du ihn … mir empfohlen hast.
    Ich schreibe nicht aus Boshaftigkeit. Mehr als alles andere fühle ich, dass ich die Kanäle offen halten muss – jetzt mehr denn je – zu jedem Augenblick meines Lebens, zu den halb vergessenen Selbsts, die ich war, als ich in den jeweiligen A b schnitten steckte. Ich möchte nichts verraten, das ich einst g e wesen bin.
    Das bedeutet, ich muss noch einmal versuchen, Dir begrei f lich zu machen, was Magruder mit unserem Leben angestellt hat. Ich kenne Dich, und ich weiß, wie Du es aufgenommen hast – auf jeder Ebene. Du hättest niemals zugeben können, dass Du Dir, mindestens mit Deinem halben Denken, g e wünscht hast, wieder in Camden Town bei Deiner Frau zu sein, dass Du ein selbstzufriedener Geschäftsmann sein wol l test, der ein wenig zuviel trinkt und sich ein klein wenig mod i schen Terror kultiviert. Du wusstest , dass unsere Fahrt enden musste und dass wir danach niemals wieder wie früher leben konnten.
    Ich habe immer gewusst , dass Du Deine vollste Befried i gung in Augenblicken erlebst, wenn Du Dich als unabhängig und allein definieren kannst. Also bist Du in Dir selbst eing e sperrt, ein Gefangener. Gescheitert, glaube ich, bezüglich de s sen, was du sein könntest. (Sein konntest, vielleicht.) Ich kann Dir keinen Rat und keine Tipps geben. Aber letztendlich gla u be ich, wirst Du dazu verdammt sein, mich nachzuahmen. Letztendlich wirst Du beim Augenblick verweilen müssen – Du wirst ihn erschüttern, abkratzen, reinwaschen müssen, und dann wirst Du so tief hineinsehen, wie Du nur kannst. Ein Be i s piel: Der Nachmittag, als Du Magruder und mich in dem Cafe in Arles hast sitzen lassen, während Du diesen Leuten nachja g test, die Du Deine › Geister ‹ nanntest. Du bist weggelaufen, als wärst Du froh gewesen, diese Ausrede zu haben. Als Du ei n einhalb Stunden später zurückgekommen bist, waren Magr u der und ich fort – in seinem Hotel, wie ich Dir später

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