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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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wieder ins Bett. «

SIEBEN
     

1
     
    Am Freitag ging ich nervös wie ein Schuljunge ins Eblana , um sie zu besuchen, wie sie in ihrem Brief geschrieben hatte. Der Tag war ein Beispiel für Dublins typisches Arrangement von drohenden Regenwolken und einer wilden, deftigen Süße in der Luft, der Geruch von Torf und der Abdeckerei und der Liffey, unter einem Himmel, an dem dunkelgraue Wolken d a hinzogen. Männer in weißen Regenmänteln gingen über St. Stephen ’ s Green und die Dawson Street hinab, und sie sahen an diesem dunklen Tag erstaunlich hell aus.
    Als ich das Zimmer betrat, war es unerwartet hell. Sie hatte nicht das Licht eingeschaltet, aber ein Sonnenstrahl, der durch die dichten Wolken drang, fiel auf ein Flachdach unter ihrem Fenster und wurde von dort reflektiert. Der Effekt des so n nenhellen Zimmers in der dunklen Stadt steigerte noch das Gefühl, dass alles anders als sonstige Erfahrungen war, das mich stets überkam, wenn ich an die Frau dachte. Tatsächlich gab es nichts Vergleichbares zu unserem letzten Treffen – die rasche Übereinstimmung und später die Perfektion dessen, was sich in diesem Zimmer zwischen uns abspielte –, das nicht seinesgleichen in dem ständigen Reigen von Neuheiten hatte, den das Leben darstellt. dass ihr Zimmer so aussah, als wäre es in seiner Gesamtheit direkt von einem anderen Ko n tinent hierher versetzt worden, entsprach in jeder Beziehung dem Eindruck, den seine Bewohnerin auf mich machte. Ich schien eines anderen Leben zu leben. Sie nahm mich bei der Hand und führte mich in ihre goldene Mulde des Lichts. Es war Nachmittag.
    Ich zog den Mantel aus und hing ihn in den kleinen Schrank neben der Tür. Die Frau ging zu einem Nachttisch neben dem Bett und nahm eine Zigarette aus der Schachtel. Sie ging zum Fenster, am Tisch vorbei, berührte ein Buch, nahm auf einem grünen Sessel Platz.
    »Nun, da du hier bist, was fange ich mit dir an? «
    Ich beugte mich hinab und küsste sie. »Das geht mir auch so «, sagte ich. Ich setzte mich ihr zugewandt aufs Bett.
    »Was hast du heute gemacht? «
    »Ich habe mit einem Großhändler über ein paar Verträge g e sprochen, die er abschließen möchte, ich habe mich um Einfuh r bestimmungen und Grundstückskauf gekümmert, ich habe zum vierzigsten Mal deinen Brief gelesen … was hast du gemacht? «
    Sie lächelte mir ins Gesicht. »Ich dachte darüber nach, wie glücklich ich bin «, sagte sie.
    Die ganze Zeit, während ich ihren breiten Mund und die perfekte Haut betrachtete, die eskimogleich straff über die Wangenknochen gezogen war, während ich ihren Liebreiz auf mich wirken ließ, bedrängte etwas, das ich nicht bewusst wahrnahm, das ich nicht ganz gesehen hatte, den Rand meiner Wahrnehmung. Es war etwas, das nicht in dieses Zimmer g e hörte, das zu lebhaft dafür war. In dem grün-goldenen Raum war es wie ein konstantes Geräusch.
    »Sprechen wir nicht über meinen Brief «, sagte sie. »Ich musste dir das schreiben. Wenn ich mich mit etwas beschäfti g te, musste ich immer aufschreiben, was mich verwirrte, womit ich nicht fertig wurde. Mein Schreibtisch daheim war voll von solchen Briefen. Die einzige Gefahr ist jetzt, mehr denn je, dass ich in Klischees verfallen könnte. Ich habe Angst, dass ich die Dinge bloß in Worte verwandle, wenn ich versuche, damit klar zu kommen. «
    Sie senkte den Blick, dann sah sie mich wieder an und bis sich auf die Lippen.
    »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst «, sagte ich. »Es ist für mich auch wichtig, dass wir verstehen, was mit uns g e schieht. Gleichzeitig dürfen wir es nicht zu ernst nehmen. Das erstaunliche ist, wie glücklich du mich machst. «
    »Ich? « Der Tonfall rührte alle meine Zweifel auf.
    »Zu wissen, dass ich dich kenne, und dass ich diese Bezi e hung zu dir habe. Mir ist, als hätte ich eine andere Person en t deckt, die in meiner Haut lebt. Mir ist, als würde ich aus mir selbst herausprojeziert werden. Das ist schön. «
    Dies ist so zerbrechlich, dachte ich, so vergänglich. Nichts wird klappen.
    »O Gott, du machst mich glücklich «, sagte sie. Sie kam mit einer einzigen straffen Bewegung herüber, ich konnte das we i che Band ihres Haares an der Wange spüren.
    »Gott sei Dank «, sagte ich. »Ich hätte nicht gedacht, dass noch jemand an so etwas glaubt. Ich fühle mich in der Falle meiner Skepsis. Ich bin froh, dass du mich herbestellt hast. «
    »Es sind unsere Geister, nicht? Die uns so empfinden la s sen? « Sie wich wieder in ihren Sessel

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