Straub, Peter
zurück, ließ aber ihre Hand auf meiner liegen.
»Es muss so sein «, sagte ich. »Teilweise ist es auch das, was du mich empfinden lässt . «
»Das ist die G a be «, sagte sie. »Wir müssen wissen, wie wir damit zurechtkommen. «
»Also müssen wir uns nur wegen der Geister Gedanken machen? « Ich konnte nicht mit einer so nachdrücklichen Überzeugung streiten.
»Wie wir mit ihnen leben können. «
Ich lächelte sie an. »Wie können wir das? «
»Indem wir nicht lügen «, sagte sie.
Wir redeten weiter. Durch einen perversen psychologischen Mechanismus hatte ihr Ausbruch das Unbehagen zwischen uns aus der Welt geschafft, und wir unterhielten uns, als würden wir uns schon jahrelang lieben. Morgan und der Ehemann der Frau – unsere › Geister ‹ – würden immer bei uns sein, sagte sie, stets eine Qualifikation für jede Aussage oder These, die wir verkündeten. Für mich war das hinreichend realistisch. Wenn ihre Präsenz verblasste und wir feststellten, dass wir uns ins reine Licht bewegt hatten, ohne Schatten der anderen, dann konnten wir aufrichtig von einer Zukunft sprechen. Aber s o weit würde es nie kommen. Wir würden stets das füreinander sein, was wir beim ersten Mal gewesen waren – eine Überr a schung, eine unglaubliche Verknüpfung von Fakten und B e gehren, ein natürlicher Zauber. Wir machten einander glüc k lich mit unserer Tollkühnheit. Wenn sie nach Paris zurüc k kehrte und Morgan zu mir kam, würden wir einander schre i ben. Sie konnte so oft sie wollte nach Dublin kommen, aber London war wesentlich bequemer für sie; meine Arbeit in D u blin würde in einem Jahr erledigt sein, und dann wollten wir nach London ziehen. Es war unmöglich; aber es würde fun k tionieren.
Während wir uns so angeregt unterhielten, kämpfte ich mit einem gespaltenen Bewusstsein . Ich wurde das Gefühl nicht los, dass etwas mit dem Zimmer nicht stimmte. Meine Au f merksamkeit galt ihrem Gesicht und wurde voll und ganz von ihren sorgfältigen Ausführungen gefesselt; aber sie wurde durch ein unbekanntes Summen abgelenkt. Die Frau bean t wortete die Frage, die ich nicht gestellt hatte, indem sie u n vermittelt in die Hände klatschte und ausrief: »Aber fast hätte ich es vergessen! Dabei brenne ich darauf, es dir zu zeigen! «
Sie stand von ihrem Sessel auf und ging rasch zum Kopfe n de des Bettes, über dem sich ein Bücherregal b ef and, wo das Gleißen der Sonne am stärksten war. Während unserer Unte r haltung hatte dieser Teil des Zimmers als gelbes Leuchten in meinen Augen gebrannt. Sie ging jetzt dorthin und nahm einen rechteckigen Gegenstand vom Bücherregal. Dann drehte sie sich um und zeigte ihn mir. Aus meiner Sicht wurde ihr Kopf durch den Gegenstand verdeckt, den sie nun wie eine Maske vor sich herschob. Die Sonne fiel auf das Gold darauf und wurde reflektiert, und damit verwandelte es den Gegenstand in einen stumpfen Halbspiegel, in dem sich das Licht brach. »Sieh dir das an! Gefällt es dir? « sagte sie und hielt den G e genstand vor sich.
14. Sept.
Liebe Morgan, lieber Owen,
mein Mädchen und ich sind glücklich, dass Ihr beiden wieder wohlbehalten in London seid, den Karten und Bri e fen, die wir erhalten haben, entnehmen wir, dass Ihr beide herrliche Ferien verbracht habt! Ich glaube, Mutter und ich sind zu alt, um die Gründe für getrennte Ferien zu begre i fen, aber wenn Ihr es so wolltet, dann war es ganz sicher richtig, dass Ihr es so gemacht habt. Nun, da es vorbei ist, braucht man kein Wort mehr darüber zu verlieren, dennoch bin ich der Meinung, es wäre besser gewesen, wenn Ihr beide zusammen nach Israel gefahren wärt. Ich sage das nicht wegen Euch – wenngleich es Euch hätte gefallen können, eine Art zweiter Flitterwochen, könnte man sagen –, sondern wegen Joanie. Ich will Euch erklären, weshalb ich das sage. Wie Ihr wisst , hat Joanie in den vergangenen drei Jahren gefühlsmäßig eine stürmische Zeit durchg e macht. Ich bin sicher, Ihr könnt Euch vorstellen, wie es für ein sensibles Mädchen wie Joanie ist, nach sieben Jahren Ehe allein zu sein. Keine leichte Sache, da bin ich sicher. Es gibt eine Menge Trümme r w egzuräumen, und das kö n nen nur die Beteiligten machen. Ich finde nur, Joanie hätte auch Deinen Rat brauchen können, Owen, und Du weißt, dass wir mit Freuden die Reise für Dich bezahlt hätten, a n statt Dich nach Frankreich zu lassen. Natürlich bist Du in Europa sehr erfolgreich (ich schicke Dir den Artikel aus dem Courier
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