Strawberry Summer
gerade eine verpasst. Sie hatte vermutet, dass Mike sie mit anderen Mädchen, die legal die ganze Nacht ausbleiben und ein Bier an der Bar bestellen konnten, verglich. Aber mit einem Mädchen verglichen zu werden, das dafür bezahlt wurde, schön auszusehen und durch die Welt zu reisen, und dessen Fotos in Zeitschriftenkampagnen zu sehen war und das mit Mike eine Beziehung gehabt hatte, die intensiv war – sie hatte sich noch nie so klein gefühlt.
Sie fand die Damentoilette und schloss sich ein. Sie konnte die Mädchen draußen an den Waschbecken über Jungs reden hören: Jungs, mit denen sie gerade ausgingen, oder Jungs, mit denen sie versuchten auszugehen. Mädchen, die älter waren und die nicht verstehen würden oder nachvollziehen konnten, was sie durchmachte. Mädchen, die alleine lebten. Mädchen, für die Sex nur ein Teil von einer Beziehung war. Vielleicht war Sex in Wirklichkeit gar keine so große Sache, wie sie angenommen hatte. Vielleicht sollte sie einfach Sex mit Mike haben, und dann würde sie schon merken, dass die ganzen Sorgen und Gedanken vollkommen belanglos wären und sie sich gar nicht schlecht fühlen müsste deswegen. Es war vermutlich, wie den Führerschein zu machen – das fühlte sich anfangs auch an wie eine große Sache, aber dann würde es genau wie alles andere auch zur Routine und normal werden.
Sie vermisste Rory. Sie war so ausgeglichen, so immun gegen die Hochs und Tiefs, die Isabel schon ihr ganzes Leben mit sich herumtrug. Rory würde ihr helfen, sich besser zu fühlen. Was sie wohl heute Abend machte? Irgendwas? Sie konnte sich nicht erinnern. Jetzt wünschte sie, sie hätte Rory eingeladen mitzukommen. Sie griff in ihre Tasche und zog ihr Handy hervor, aber das kleine Symbol eines auf dem Kopf stehenden Trichters war verschwunden. Kein Empfang. Sie würde draußen telefonieren müssen.
Als die anderen Mädchen die Waschbecken verließen, öffnete sie die Tür. Im Spiegel erkannte sie, dass ihr Haar in sanft fallenden Wellen getrocknet war und dass ihr Gesicht einen Hauch von Farbe von der Sonne bekommen hatte. Aber darunter sah sie die ganze Zeit das andere Mädchen, das mit Mike ausgegangen war – wer immer es war, wie immer es aussah –, wie es auf einem Feld posierte, in einem schwarzen Ballkleid und Gummistiefeln, und dabei doch so wunderschön und unnahbar aussah, wie Isabels es nie sein würde.
Als sie zurück in die Lounge ging, sprach Mike gerade mit einer anderen Kellnerin, von der Isabel annahm, dass sie Leelees Freundin war. »Hey, Babe«, sagte er. »Bist du okay?«
»Mir geht’s gut«, sagte sie. Die Art, wie er neben der Kellnerin stand, war irgendwie irritierend. So nah. »Ich fühl mich nicht so gut. Ich glaube, ich würde gerne gehen.«
Ohne auf seine Antwort zu warten, ging sie durch die Tür raus, vorbei an der Warteschlange, die immer noch über die ganze Veranda verlief und die der Türsteher noch immer im Zaum hielt. Die Luft war schwer und feucht, und als sie die Treppen hinunterging, hinaus in die Dunkelheit, konnte sie einen Chor von Ochsenfröschen hören, der aus den Büschen drang.
»Isabel? Was ist los?«, fragte Mike, als er ihr folgte.
Sie wandte sich um. »Warum hast du mir nicht von deiner Exfreundin erzählt?«, fragte sie und konnte ihn da bei kaum ansehen.
»Was?«
»Das Ralph-Lauren-Model. Das fünfundzwanzig ist. Oder fünfundzwanzig war. Wie alt ist es jetzt, dreißig?«
»Warum bist du so wütend? Ich frage dich auch nicht nach deinen Exfreunden.«
»Warum hast du mir nicht von ihr erzählt?«
Er kam zu ihr. »Warum ist das so wichtig?«
»Weil ich es wissen will.«
»Okay, ja, ich bin mit einem Mädchen ausgegangen, das ein Model ist und fünfundzwanzig. Und ja, ich hatte einige ältere Freundinnen. Wen interessiert das?«
»Mich! Mich interessiert es!«, schrie sie. »Wenn du nur Models daten willst, warum gehst du dann mit mir aus? Was hast du davon?«
Er machte einen Schritt zurück. »Du wirkst gerade ein bisschen verrückt, okay?«
»Ich will nur wissen, was du mit jemandem machst, der nach seinem Ausweis gefragt wird, der nicht Auto fahren kann und der um Mitternacht zu Hause sein muss. Wenn du ganz offensichtlich mit einem Model nach Paris gehen kannst oder was auch immer. Geht es darum, das reiche Mädchen von der Lily Pond Lane zu verführen? Ist es das?«
Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. Seine Miene zeigte deutlich, dass sie zu weit gegangen war.
»Vielleicht sollten wir uns das hier
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