Street Art Love (German Edition)
zurück. Also Dienstag?«
»Wann?«
»Am Nachmittag.«
Also ist es abgemacht, ich traue mich, wieder zu atmen, hole mein iPhone heraus und tippe den Termin in meinen Kalender, als würde oder könnte ich ihn vergessen. Ich will nur etwas zu tun haben.
»Und jetzt?«, fragt Charly.
Ich bin auch fertig mit meinen Pommes. Ich werfe die Tüte weg und stecke die Holzgabel ein, die wir am Stand bekommen haben. »Warum hebst du die auf?«, fragt Charly.
Ja, warum?
»Keine Ahnung. Sie gefällt mir.«
Charly grinst. »Du bist wie mein Vater, der hebt auch alles auf.«
Mir kommt eine Idee. »Wollen wir nicht mal in seine Galerie gehen? Ich meine, wenn die ganz hier in der Nähe ist?«
»Er hat im Moment keine Ausstellung dort.«
»Egal.«
»Okay. Die Galerie ist in der Gipsstraße. Da müssten auch noch Banksys sein.«
Ich hole mein iPhone wieder heraus. Langsam fühle ich mich wie mein Vater und so, als ob ich ohne das Ding nicht leben könnte.
»Wollen wir mal nach deinem Plan laufen? Klappt vielleicht besser«, schlage ich deshalb vor.
Charly sieht mich überrascht an und holt seinen Plan aus der Hosentasche. Er ist extrem zerknittert, und ich frage mich, was mit den Dingen in Charlys Hosentaschen passiert. Und warum es mir so wichtig ist, dass alles glatt und sauber und ordentlich ist. Und auf einmal weiß ich, worum es bei Street Art geht, obwohl der Gedanke auch ein wenig zerknautscht und unklar ist.
»Es geht darum, zu zeigen, dass es noch etwas anderes gibt!«
»Was?« Charly starrt mich an, als wäre ich durchgeknallt.
»Ich meine, bei Street Art. Was ich vorhin sagen wollte, war: Es geht um den Unterschied zum normalen Zustand, der Ordnung, der Eintönigkeit, der … Trostlosigkeit.«
Charly blinzelt mich an. Ich weiß nicht, ob er gleich lacht oder höhnisch grinst oder seufzt. Von mir aus kann er alles drei machen, denn ich weiß, dass ich etwas verstanden habe. Auch wenn ich es nicht richtig gut ausdrücken kann.
Charly lacht nicht und seufzt auch nicht, er sieht mich einfach nur an, mit diesem intensiven Blick, mit dem er sonst nur Kunst ansieht.
»Finde ich auch«, sagt er dann leise, und ich bin so erleichtert, dass ich ihn am liebsten umarmen möchte.
Was ich natürlich nicht tue.
Stattdessen laufen wir die Auguststraße hinunter. Ich hinter Charly, denn er hat den Plan. Wir biegen in die Gipsstraße ab. Schließlich bleibt er stehen.
»Hier müsste noch eine Banksy-Ratte sein.«
Dort ist aber nur eine sanierte Hauswand.
»Hundertsiebzigtausend Euro einfach überpinselt …«, sagt Charly und starrt fassungslos auf die cremefarbene Hauswand.
»Na ja, das Haus wurde halt renoviert.«
Charly nickt. »Ja. Aber es ist nicht schöner geworden. Nur langweiliger.«
Wir gehen weiter. Hier gibt es viele Galerien, und eine davon ist die von Charlys Vater. Wir gucken durch die große Fensterscheibe in den leeren Raum. An jeder Wand hängt ein großes düsteres Bild – wenn man nicht genau hinschaut, sehen sie alle gleich aus.
»Wollen wir reingehen?«, fragt Charly.
Ich nicke. »Klar.«
Drinnen ist es hell und ruhig. Das einzige Geräusch machen unsere Schritte auf dem Holzparkett. Ich nehme mir eine Liste, auf der die Preise der Bilder stehen. Viertausendfünfhundert Euro für eine schwarz-braune Fläche mit kleinen gelben Farbpunkten.
Alpha
2
heißt das Bild, und ich habe das Gefühl, eine ganze Menge nicht zu verstehen. Charly seufzt wieder leise. Langsam füllt das Unbehagen den Raum, dass wir hier nicht hergehören. Und zwar beide nicht.
Von hinten kommt eine Frau in einem engen schwarzen Kostüm, mit einer schwarzen Hornbrille, und lächelt erfreut.
»Charly!«
Sie reicht ihm förmlich die Hand und schaut zu mir.
»Das ist Sophie«, sagt Charly. Ich mag wirklich sehr, wie er meinen Namen ausspricht.
»Hallo, eine schöne Galerie«, sage ich artig.
Der Blick der Galeristin wandert wieder zurück zu Charly. »Ist mit deinem Vater alles in Ordnung?«
Charly nickt. Er zeigt auf mich. »Sophie kann irre toll zeichnen.«
Die Galeristin hebt ihre Augenbrauen. Mehr nicht.
Ich werde rot. »Nein, nein …, es …«
»Doch, doch«, sagt Charly.
Es ist mir unangenehm, dass er es überhaupt erwähnt.
»Tja, dann …«, sagt die Galeristin und geht ein wenig auf Abstand, bleibt aber in unserer Nähe, als müsse sie sichergehen, dass wir kein Bild abhängen. Das wird nicht passieren, denn sie sind eindeutig zu groß zum Mitnehmen. Kaufen werden wir auch keines, also stupse ich
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