Street Art Love (German Edition)
sein Depot und hofft, dass der Künstler in zehn Jahren das Hundertfache wert ist.«
»Ja, der Kunstmarkt …«, sagt mein Vater. »Schon verrückt, was mittlerweile in den Museen hängt.«
»Im Museum ist man nur ein Tourist im Trophäen-Kabinett von ein paar Millionären«, sage ich.
Meine Eltern sehen mich beide erstaunt an.
»Wer sagt das denn? Dieser Charly?«
»Nein, Banksy.«
»Banksy? Ist das auch ein Freund von dir?«
»Nein, das ist ein Street-Art-Künstler.«
»Ach so«, sagt mein Vater erleichtert.
Wir fahren nicht weg in den Herbstferien. Das ist schon lange klar, weil meine Eltern die Kanzlei gerade erst übernommen haben und nicht wegkönnen. Sie werden arbeiten. Ich hätte mit Maja und ihrer Mutter zu Majas Oma mitfahren können, aber dazu hatte ich keine Lust.
»Wann fliegt Max?«, frage ich, als wir alle zusammen am Frühstückstisch sitzen, denn es war geplant, dass Max die Ferien bei meiner Oma in Stuttgart verbringt.
»Oma ist krank«, sagt Max ganz vergnügt. Ich weiß, dass er Angst davor hatte, allein nach Stuttgart zu fliegen.
»Und jetzt?«, frage ich und sehe meine Eltern an. Sie werden natürlich weiter ins Büro fahren, soll ich dann jeden Tag auf Max aufpassen?
»Ich bleibe hier!«, ruft Max triumphierend.
»Wir finden eine gute Lösung«, sagt meine Mutter und schaut zu meinem Vater.
»Max, du bist doch schon ein großer Junge!«, sagt mein Vater, und Max strahlt. Das würde ich auch gerne glauben, aber warum kommt Max dann immer in mein Zimmer, wenn meine Eltern arbeiten, und verlangt, dass ich mit ihm Fußball spiele oder ihm etwas zu essen mache? Dabei habe ich mich darauf gefreut, nur in meinem Zimmer zu sitzen, zu lesen, DVDs zu gucken, zu zeichnen und an Charly zu denken. Da das aber vermutlich niemand in meiner Familie für wichtig hält, sage ich: »Ich muss mich dringend um mein Referat in Kunst kümmern. Ich hänge total hinterher. Und Mathe habe ich auch nicht verstanden.«
Mein Vater sieht mich lächelnd an. »Aber, Sophie, du hast Ferien! Vergiss doch mal die Schule und deine Arbeiten.«
»Aber …«
»Wir können zusammen Fußball spielen!«, kräht Max.
Na, danke. Ich liebe meinen kleinen Bruder, aber warum versteht niemand, dass ich meinen Kopf gerade mit anderen Dingen voll habe. Oder mit Menschen.
»Max, du könntest dich auch mit Leon verabreden. Oder? Er ist doch auch in den Ferien hier«, schlägt meine Mutter vor.
»Leon ist doof.«
»Oder mit Theo? Sie bleiben auch die Ferien über da. Gestern hat mir seine Mutter gesagt, dass er dich zu seinem Geburtstag einlädt. Sie gehen in den Zoo.«
»Wann denn?«, fragt Max.
Alles, was nicht sofort ist, zählt für ihn nicht richtig.
»Nächste Woche. Sie machen es etwas vom Wetter abhängig.«
»Nächste Woche Dienstag bin ich unterwegs«, sage ich, wenn hier schon alle Termine auf den Tisch gebracht werden.
»Da haben wir das Mandantenessen im
Florian
«, sagt mein Vater.
Meine Mutter seufzt. »Das regelt sich schon alles.«
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UND ES REGELT SICH TATSÄCHLICH ALLES, denn in der ersten Ferienwoche ist das Wetter schlecht, aber für die nächste Woche ist gutes Wetter angesagt, obwohl es kalt werden soll, und Theos Geburtstag wird am Dienstag gefeiert. Ich weiß nicht, ob meine Mutter Einfluss darauf genommen hat, denn sie hat sich angeboten, sich am Fahrdienst zu beteiligen, und will die eine Hälfte der Kindergruppe zum Zoo bringen und am Ende wieder abholen. Egal. Hauptsache, ich kann mich an diesem Tag ganz auf meine Verabredung mit Charly konzentrieren. Ich soll nur um neun wieder zurück sein, damit Max nicht alleine ist, wenn meine Eltern zu ihrem Mandantentreffen gehen. Kein Problem.
Bis auf … meine Garderobe. Auch Ansammlung von langweiligen Jeans, Röcken und T-Shirts genannt. Am Montag vor dem Treffen mit Charly nehme ich mir meinen Kleiderschrank vor. Max steht neben mir und wird kurzfristig zu meinem Modeberater ernannt.
»Das ist cool!«, sagt er und fischt ein schwarzes Kleid mit leicht abstehendem Spitzenrock aus dem Stapel hervor. Wir haben es zur Beerdigung meines Opas vor einem Jahr gekauft. Damals war es mir etwas zu groß, jetzt könnte es passen, aber hallo? Ich habe eher an eine schwarze Jeans mit einem selbst bedruckten T-Shirt gedacht. Wobei ich das T-Shirt erst noch bedrucken muss. Vielleicht mit einem Bandnamen oder einer Comicfigur. Oder eine schwarze Leggins mit einem großen Shirt? Ich ziehe die schwarze Leggins an und ein weites blaues T-Shirt
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