Streiflichter aus Amerika
Kate Buss zitiert in Das letzte Dinner auf der Titanic: Mit fünfzig Rezepten und Menüs von dem großen Luxusliner. )
»Sapperlot, Buss, was ist denn das für ein Tumult?«
»O hallo, Smythe. Sie sind doch sonst um diese Zeit nicht mehr auf. Zigarre?«
»Ja, bitte, da kann ich auch noch eine rauchen. Also was ist das für ein Tohuwabohu? Eben habe ich den Kapitän vorbeilaufen sehen und hatte den Eindruck, als sei er schrecklich in Schwulitäten.«
»Hat den Anschein, wir sinken, alter Knabe.«
»Papperlapapp!«
»Erinnern Sie sich an den Eisberg, den wir beim Dinner gesehen haben?«
»Der so groß war wie ein zwanzigstöckiges Hochhaus?«
»Genau der. Na, offenbar haben wir das verdammte Ding gerammt.«
»Kolossales Pech.«
»Kann man wohl sagen.«
»Aber das erklärt wahrscheinlich, warum meine Kabinentür unter dem Bett lag, als ich aufgewacht bin. Das fand ich ein wenig eigenartig. Donnerwetter, ist das eine Monte Christo?«
»Nein, H. Upman. Ich hab einen Mann in der Gerrard Street, der sie immer für mich besorgt.«
»Famose Sache.«
»Ja... Eigentlich schade.«
»Was?«
»Na, ich habe gerade ein Dutzend Kisten zu zwei Guineen das Stück bestellt. Trotzdem, der junge Bertie wird sich freuen, wenn er sie erbt.«
»Dann glauben Sie also nicht, daß wir es schaffen?«
»Sieht schlecht aus. Mrs. Buss hat mit Croaker, dem Achterdecksteward, gesprochen. Als er ihr den Schlaftrunk gebracht hat, meinte er, wir hätten weniger als zwei Stunden. Ach, übrigens, wie geht's Mrs. Smythe? Besser mit ihrem Magen?«
»Nicht daß ich wüßte. Sie ist ertrunken.«
»Schöne Bescherung!«
»Durchs Bullauge an der Steuerbordseite verschwunden, als wir Schlagseite kriegten. Eigentlich bin ich erst von ihrem Schreien aufgewacht. Eine Schande, daß sie die ganze Aufregung verpaßt. Sie hatte immer ein Faible für einen guten Schiffsuntergang.«
»Mrs. Buss auch.«
»Sie ist aber doch nicht ebenfalls über Bord gegangen?«
»O nein. Sie ist beim Zahlmeister. Wollte Fortnum's anrufen und die Bestellungen für das Gartenfest stornieren. Hat wohl jetzt nicht mehr viel Zweck.«
»Allerdings. Trotzdem war es alles in allem keine schlechte Fahrt, finden Sie nicht?«
»Ganz Ihrer Meinung. Das Essen war eins a. Die junge Kate war besonders angetan von den Tischgestecken. Sie fand, daß die Dinnertafel einen prächtigen Anblick bot und die Trauben ein Gedicht waren. Sie ist von der Suppe bis zu den Nüssen geblieben. Sie haben sie nicht zufällig gesehen?«
»Nein, warum fragen Sie?«
»Na ja, es war ein wenig merkwürdig, als sie auf einmal weggelaufen ist. Meinte, sie müßte noch was mit dem jungen Lord D'Arcy erledigen, bevor wir untergingen. Hatte irgendwas mit Flaggen zu tun, glaube ich.«
»Flaggen? Eigenartig.«
»Nun, sie erwähnte kurz, sie brauche eine Totenkopfflagge, wenn ich sie richtig verstanden habe. Ich muß zugeben, ich verstehe nicht die Hälfte dessen, was sie manchmal daherredet. Außerdem war ich abgelenkt. Mrs. Buss hatte gerade ihren Schlaftrunk über ihr Neglige geschüttet – wohl wegen der Kollision – und war sehr aufgebracht, weil Croaker ihr keinen neuen bringen wollte. Er hat ihr gesagt, sie solle ihn sich selbst holen.«
»Was für eine außerordentliche Impertinenz.«
»Na, er war sicher auch ein bißchen daneben, weil er kein Trinkgeld mehr bekam. Ich nehm's ihm eigentlich nicht übel.«
»Trotzdem.«
»Ich habe es natürlich gemeldet. Man darf selbst in einer solchen Krisensituation nicht vergessen, was man seinem Rang schuldig ist. Sonst wäre ja das Chaos perfekt, meinen Sie nicht? Der Bootsmeister hat mir versichert, daß Croaker auf diesem Schiff nicht mehr angeheuert wird.«
»Das will ich auch hoffen.«
»Ist vielleicht nur ein Detail, aber wenigstens ist es schriftlich vermerkt worden.«
»Was für eine seltsame Nacht, wenn man es recht bedenkt. Ich meine, die Frau ertrinkt, das Schiff sinkt, und beim Dinner gab es keinen Montrachet '07. Ich mußte mit einem mittelmäßigen '05 vorliebnehmen.«
»Das finden Sie enttäuschend? Schauen Sie sich die hier an!«
»Entschuldigung, alter Knabe, aber in dem Licht kann ich nichts sehen. Was ist es?«
»Die Rückfahrkarten.«
»Ja, das nenne ich Pech.«
»Backbordaußenkabine auf dem Promenadendeck.«
»Wahrhaftig Pech. Aber bitte, was ist das für ein Lärm?«
»Das sind gewiß die Zwischendeckpassagiere, die ertrinken.«
»Nein, es klang wie eine Kapelle.«
»Ich glaube, Sie haben recht. Ja, selbstredend haben
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