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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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von zu Hause entfernt vor einen Schalter trat, um ein Flugzeug zu besteigen.
    »Ich muß irgendeinen Ausweis mit Bild sehen«, sagte der Angestellte mit dem Charme und der unbändigen Motivation, die man schließlich auch von jemandem erwartet, dessen Hauptvergünstigung im Job ein Nylonschlips ist.
    »Wirklich? Ich glaube, ich habe keinen«, sagte ich, fing an, mir auf die Taschen zu klopfen, als machte das einen Unterschied, und zog Karten aus meiner Brieftasche. Ich hatte alle möglichen Ausweise dabei – Bibliotheksausweis, Kreditkarten, Sozial- und Krankenversicherungskarte, den Flugschein -, und überall war mein Name drauf, aber nirgendwo mein Bild. Endlich fand ich im hintersten Fach meiner Brieftasche einen alten Führerschein aus Iowa. Ich wußte gar nicht, daß ich den noch besaß.
    »Der ist abgelaufen«, sagte der Mann naserümpfend.
    »Dann darf ich das Flugzeug wohl nicht mehr selbst fliegen«, erwiderte ich.
    »Unsinn, der ist fünfzehn Jahre alt. Ich brauche etwas neueren Datums.«
    Ich stöhnte und wühlte in meinen Habseligkeiten. Endlich fiel mir ein, daß ich ein Buch dabeihatte, auf dessen Umschlag mein Foto prangt. Stolz und einigermaßen erleichtert händigte ich es ihm aus.
    Er schaute erst das Buch, dann streng mich und dann eine gedruckte Liste an. »Das ist nicht auf der Liste erlaubter visueller Dokumente«, behauptete er oder etwas ähnlich Hirnrissiges.
    »Das glaube ich Ihnen gern, aber trotzdem bin ich es. Wie ich leibe und lebe.« Ich senkte die Stimme und beugte mich näher zu ihm vor. »Meinen Sie allen Ernstes, daß ich das Buch extra habe drucken lassen, um mich damit in ein Flugzeug nach Buffalo zu schmuggeln?«
    Er starrte mich noch eine Minute lang an und rief dann zwecks Beratung einen Kollegen. Sie konferierten und beorderten einen dritten Mann zu sich. Am Ende waren wir umgeben von einer Menschentraube: drei Leute vom Bodenpersonal, deren Vorgesetzten, dem Vorgesetzten des Vorgesetzten, zwei Gepäckträgern, etlichen Schaulustigen, die sich die Hälse verrenkten, um besser sehen zu können, und einem Typen, der aus einer Aluminiumvitrine Schmuck verkaufte. Mein Flugzeug sollte in wenigen Minuten abgehen, und in meinen Mundwinkeln sammelte sich langsam Schaum. »Was ist denn überhaupt Sinn und Zweck des Ganzen?« fragte ich den Obervorgesetzten. »Warum brauchen Sie einen Ausweis mit Bild?«
    »Vorschrift der FAA, der staatlichen Luftfahrtbehörde«, sagte er und starrte unglücklich auf mein Buch, meinen ungültigen Führerschein und die Liste der erlaubten Dokumente.
    »Aber warum ist das die Vorschrift? Glauben Sie wirklich, daß Sie einen Terroristen von seinem Tun abhalten, indem Sie von ihm verlangen, daß er Ihnen ein Hochglanzfoto von sich präsentiert? Glauben Sie, ein Mensch, der eine bis ins kleinste ausgetüftelte Flugzeugentführung planen und ausführen kann, läßt von seinem Vorhaben ab, wenn man ihn auffordert, seinen – gültigen! – Führerschein zu zeigen? Sind Sie schon mal auf die Idee gekommen, daß Sie der Terrorismusgefahr eventuell effizienter begegnen, wenn Sie jemanden einstellen, der seine fünf Sinne beieinander und einen etwas höheren IQ als ein Kopffüßer hat und die Bildschirme auf Ihren Röntgenapparaten überwacht?« Vielleicht habe ich meiner Meinung nicht in exakt diesen Worten Luft gemacht, aber das ungefähr war die Stoßrichtung.
    Sehen Sie, man verlangt von den Leuten nicht einfach, daß sie sich ausweisen, sondern daß sie es in einer Weise tun, die präzise einer schriftlichen Anordnung entspricht.
    Wie dem auch sei, ich änderte meine Taktik und verlegte mich aufs Bitten. Ich versprach, nie wieder mit unzureichenden Ausweispapieren auf einem Flughafen aufzukreuzen. Ich mimte den zutiefst Bußfertigen. Ich glaube nicht, daß irgend jemand schon einmal so inbrünstig und reumütig den Wunsch geäußert hat, man möge ihm doch bitte erlauben, nach Buffalo weiterzureisen.
    Endlich nickte der Vorgesetzte dem Angestellten zu und sagte ihm immer noch sehr skeptisch, er solle mich einchecken lassen. Nachdem er mich ermahnt hatte, etwas so Schlitzohriges nie wieder zu versuchen, ging er mit seinen Kollegen von dannen.
    Der Abfertigungsmensch gab mir eine Bordkarte, ich ging auf die Sperre zu, drehte mich dann um und vertraute ihm, als sei es mir gerade eingefallen, mit leiser, überzeugter Stimme einen nützlichen Gedanken an.
    »In der Tube ist immer noch ein Rest Zahnpasta«, sagte ich. »Denken Sie darüber nach.«

    Weihnachtliche

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