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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Mysterien

    Eines der vielen kleinen Geheimnisse, die ich lüften wollte, als ich nach England zog, war folgendes: Wenn die Briten zu Weihnachten »A-wassailing we'll go« sangen, wo gingen sie hin und was genau taten sie, wenn sie dort anlangten?
    Während meiner gesamten Kindheit und Jugend hörte ich dieses Lied jedes Jahr zu Weihnachten, ohne daß ich einmal einen Menschen fand, der die leiseste Ahnung hatte, wie man es anstellte, das rätselhafte, obskure »A-wassailing«. Angesichts des munter kecken Tonfalls und der Partystimmung, in der immer davon gesungen wurde, drängten sich meiner jugendlichen Phantasie rosawangige Maiden mit Bierkrügen in einer Szene allgemeiner heiterster Ausgelassenheit vor einem lodernden Jul-Block in einer mit Stechpalmenzweigen geschmückten Halle auf, und dessen eingedenk blickte ich meinem ersten englischen Weihnachtsfest mit unverhohlener Freude entgegen. Bei mir zu Hause galt es als Gipfel weihnachtlicher Ausschweifungen, daß man einen Keks in Form eines Weihnachtsbaums bekam.
    Sie können sich also meine Enttäuschung vorstellen, als mein erstes Weihnachten in England kam und ging, und nicht nur niemand a-wassailte, sondern auch niemand, den ich ausquetschte, dessen tiefverborgene uralte Geheimnisse kannte. Ja, in fast zwanzig Jahren dort habe ich nicht einmal jemanden kennengelernt, der a-wassailing gegangen ist (jedenfalls nicht wissentlich). Und da wir einmal dabei sind, ich habe auch nie ein »Mumming« oder ein »Hodening« erlebt und auch keine der anderen englischen Weihnachtstraditionen, die ausdrücklich in den Liedern und in den Romanen von Jane Austen und Charles Dickens versprochen werden. (Zu Ihrer Information: Beim Mumming handelt es sich um einen weihnachtlichen Mummenschanz, dessen Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichen, und beim Hodening bettelt ein organisierter Stoßtrupp um Münzen, um sich später in der nächstbesten Kneipe vollaufen zu lassen – was ich für eine grandiose Idee halte.)
    Erst als ich zufällig auf T. G. Crippens kenntnisreiches, altersloses Werk Weihnachten und Weihnachtsbräuche , London 1923, stieß, erfuhr ich, daß »wassail« ursprünglich ein Gruß war, der aus dem Altnordischen »ves heil (bleib gesund)!« stammt. In angelsächsischen Zeiten sagte laut Grippen jemand, der einen Trinkspruch ausbrachte: »Wassail!«, der Angesprochene erwiderte: »Drinkhail!«, und dann wiederholten auch die anderen Trinkkumpane die Übung, bis sie bequem in der Horizontale lagen.
    Aus dem Wälzer von Crippen ist außerdem ersichtlich, daß dieser und viele andere reizende alte Weihnachtsbräuche 1923 in Großbritannien noch überall lebendig waren. Nun scheinen sie sich leider Gottes für immer verabschiedet zu haben.
    Trotzdem ist Weihnachten in Großbritannien wunderschön, viel schöner als in Amerika, und das aus vielerlei Gründen. Zunächst einmal packt man in Großbritannien – zumindest in England – mehr oder weniger all seine Festtagsexzesse (essen, trinken, Geschenke überreichen, noch mehr essen und trinken) in Weihnachten hinein, während wir sie hier über drei separate Feiertage verteilen.
    In Amerika ist der große Freßfeiertag Thanksgiving Ende November. Thanksgiving ist ein toller Feiertag – wahrscheinlich der beste, wenn Sie mich fragen. (Er erinnert übrigens an das erste Erntedankfest, zu dem sich die Pilgerväter mit den Indianern zusammengehockt, ihnen für all die Hilfe gedankt und gesagt haben: »Ach, übrigens, wir sind zu dem Schluß gekommen, daß wir das ganze Land haben wollen.«) Thanksgiving ist so schön, weil man keine Geschenke machen oder Karten verschicken oder sonst irgendwas tun muß, sondern nur essen, bis man wie ein Ballon aussieht, der zu lange auf der Gasflasche war.
    Schade ist nur, daß Thanksgiving weniger als einen Monat vor Weihnachten liegt. Wenn also Mom am fünfundzwanzigsten Dezember wieder einen Truthahn hereinbringt, heißt es nicht »Puter! Juchu!«, sondern eher »Oh, schon wieder Puter, Mutter«? Bei diesem kurzen Zeitabstand ist doch klar, daß Weihnachten nicht mehr der ganz große Knüller ist.
    Des weiteren trinken die US-Amerikaner in der Regel an diesem Fest nicht viel. Ja, ich vermute, daß die meisten Leute es hier für einen Hauch unschicklich halten, mehr als, na ja, einen kleinen Sherry vor dem Mittagessen am Weihnachtstag zu sich zu nehmen. Hier bewahrt man sich die Saufgelage in großem Stil für Silvester auf.
    Apropos, wir haben auch keines der anderen Dinge, die

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