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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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werden eine Menge Teller nicht abgewaschen und eine Menge Obst nicht geerntet. Und daß uns übrigen mehr Raum zum Atmen bleibt, ist vollends absurd.
    Die USA gehören unter den Industrieländern bereits zu denen mit der niedrigsten Einwandererquote. Nur sechs Prozent der hier lebenden Menschen sind im Ausland geboren, in Großbritannien dagegen acht und in Frankreich elf. Falls man auf ein ökonomisches oder Umweltdesaster zurast, dann sicherlich nicht deshalb, weil sechs von hundert Personen woanders geboren worden sind. Aber versuchen Sie das mal der breiten Masse zu erzählen.
    Tatsache ist, daß die Vereinigten Staaten mit durchschnittlich nicht mehr als sechsundzwanzig Bewohnern pro Quadratkilometer eines der am dünnsten besiedelten Länder der Erde sind. Im Vergleich dazu sind es in Frankreich einhundertundzwei und in Großbritannien über zweihundertdreißig. Insgesamt gelten nur zwei Prozent der Vereinigten Staaten offiziell als »bebaut«.
    Die Amerikaner haben das natürlich schon immer lieber anders gesehen. Berühmt ist die Geschichte, wie Daniel Boone angeblich eines Tages einen Blick aus seinem Blockhüttenfenster warf, ein Rauchwölkchen erspähte, das aus der Behausung eines Siedlers auf einem weit entfernten Berg quoll, sich bitter beklagte, daß die Gegend überlaufen werde, und dann seine Absicht kundtat, weiterzuziehen.
    Deshalb sage ich, Daniel Boone hat gesponnen. Ich fände es nur gräßlich, wenn der Rest meines Landes auch damit anfängt.

    Regel Nummer eins:   Befolge alle Regeln!

    Neulich abends habe ich eine Dummheit begangen. Ich habe eine unserer hiesigen Gaststätten aufgesucht und mich ohne Erlaubnis hingesetzt. Das gehört sich nicht. Aber ich mußte rasch einen wichtigen Gedanken aufschreiben, bevor er mir entfleuchte (und zwar: »Es ist immer noch ein Rest Zahnpasta in der Tube. Denken Sie mal darüber nach.«). Die Kneipe war ohnehin so gut wie leer. Ich nahm einen Tisch neben der Tür.
    Nach einigen Minuten kam die für das Plazieren der Gäste verantwortliche Dame zu mir und sagte bemüht gelassen: »Ich sehe, Sie haben sich schon selbst hingesetzt.«
    »Jawohl«, erwiderte ich stolz. »Hab mich heute auch selbst angezogen.«
    »Haben Sie das Schild nicht gesehen?« Sie drehte den Kopf in Richtung eines großen Schildes, auf dem stand: »Bitte warten Sie, bis Sie zum Tisch geführt werden.«
    In dieser Kneipe bin ich ungefähr einhundertfünfzigmal gewesen. Das Schild habe ich aus jedem Blickwinkel außer auf dem Rücken liegend gesehen.
    »Was für ein Schild?« sagte ich, ganz das Unschuldslamm. »Herrje, das habe ich ja gar nicht gesehen.«
    Die Dame seufzte. »Die Kellnerin für diesen Bereich ist sehr beschäftigt, deshalb werden Sie wohl eine Weile warten müssen, bis sie zu Ihnen kommt.«
    In einem Radius von fünfzehn Metern befand sich kein anderer Gast, aber darum ging es auch gar nicht. Es ging darum, daß ich ein aufgestelltes Hinweisschild mißachtet hatte und folglich eine kleine Strafe in der Vorhölle abbrummen mußte.
    Es wäre völlig verkehrt zu sagen, daß Amerikaner Regeln lieben, aber sie haben eine gewisse Achtung dafür. Gegenüber Regeln verhalten sie sich weitgehend so wie die Briten bei Warteschlangen; sie finden sie unabdingbar notwendig zur Aufrechterhaltung einer zivilisierten, geordneten Gesellschaft. Im Grunde hatte ich mich vorgedrängelt.
    Wahrscheinlich hat es etwas mit unserem germanischen Erbe zu tun. Alles in allem habe ich auch daran nichts zu mäkeln. Ja, ich muß sogar gestehen, manchmal wäre ein teutonischer Ruf zur Ordnung auch in England gar nicht verkehrt – wie zum Beispiel, wenn Leute auf einem Parkplatz zwei Plätze belegen (das einzige Vergehen, für das ich, wenn ich hier frei sprechen darf, die Wiedereinführung der Todesstrafe begrüßen würde).
    Die amerikanische Ordnungsliebe geht mir allerdings manchmal zu weit. Unser Schwimmbad hat siebenundzwanzig – siebenundzwanzig! – Regeln, und man achtet streng auf die Einhaltung aller. »Nur ein Anlauf pro Sprung vom Sprungbrett!« ist mir am meisten ans Herz gewachsen.
    Frustrierend – nein, zum Aus-der-Haut-Fahren – ist, daß es fast nie eine Rolle spielt, ob die Vorschriften sinnvoll sind oder nicht. Seit ein, zwei Jahren verlangen die US-amerikanischen Fluggesellschaften in ihrem Kampf gegen die zunehmende Terrorismusgefahr, daß Fluggäste sich mit Foto ausweisen, wenn sie für einen Flug einchekken. Ich hörte zum erstenmal davon, als ich knapp zweihundert Kilometer

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