Streiflichter aus Amerika
November das letztemal dort war, bezifferte sie diese auf 4 533 603 804 000 Dollar – das sind 4,5 Billionen und ein paar Gequetschte –, und die Zahl nahm mit jeder Sekunde um 10000 Dollar zu, jedenfalls so schnell, daß die letzten drei Ziffern immer ineinander verschwammen. Doch was nun bedeuten 4,5 Billionen Dollar?
Versuchen wir's mal mit einer Billion, also tausend Milliarden. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit der Gesamtheit der amerikanischen Staatsschulden in einem Kellergewölbe, und man verspricht Ihnen, daß Sie jede Dollarnote behalten dürfen, die Sie mit Ihren Initialen versehen. Sagen wir der Einfachheit halber, Sie können jede Sekunde eine Dollarnote unterzeichnen und arbeiten sich, ohne Pause zu machen, durch. Wie lange, glauben Sie, würden Sie brauchen, um eine Billion Dollar zusammenzukriegen? Na los, tun Sie mir den Gefallen und raten Sie. Zwölf Wochen? Fünf Jahre?
Wenn Sie einen Dollar pro Sekunde unterzeichneten, hätten Sie nach sechzehn Minuten und vierzig Sekunden 1000 Dollar verdient. Nach fast zwölf Tagen ununterbrochener Schufterei hätten Sie Ihre erste Million beisammen. Also brauchten Sie einhundertundzwanzig Tage, um zehn Millionen anzuhäufen, und eintausendzweihundert Tage für einhundert Millionen – drei Jahre und etwas mehr als drei Monate. Nach 31,7 Jahren wären Sie Milliardär, und nach fast eintausend Jahren wären Sie so reich wie Bill Gates, der Gründer von Microsoft. Aber erst nach sage und schreibe 31 709,8 Jahren hätten Sie Ihren billionsten Dollar abgezeichnet (und dann hätten Sie nicht einmal ein Viertel des Geldhaufens durch, der die Staatschulden der Vereinigten Staaten repräsentiert).
Na bitte, das ist eine Billion Dollar.
Doch aufgepaßt! Die meisten dieser unvorstellbar riesigen Summen, mit denen Ökonomen und Politiker jonglieren, liegen offenbar total daneben. Nehmen Sie das Bruttosozialprodukt, den Maßstab, an dem die jährliche wirtschaftliche Gesamtleistung eines Landes gemessen wird, Eckpfeiler der modernen Wirtschaftspolitik, in den dreißiger Jahren von dem Wirtschaftswissenschaftler Simon Kuznets erdacht. Man kann sehr gut konkrete Dinge damit messen – Tonnen Stahl, Längenmeter Holz, Kartoffeln, Autoreifen und so weiter, und in einer traditionellen industriellen Wirtschaft damit zu arbeiten war ja auch gut und schön. Nun aber besteht in fast allen Industrieländern der größte Teil der Arbeitserträge aus Dienstleistungen und Ideen – Computersoftware, Telekommunikation, Finanzgeschäfte –, die zwar Reichtum produzieren, aber nicht unbedingt ein Produkt hervorbringen, das man auf eine Palette laden und zu Markte tragen kann.
Weil solche Leistungen schwer zu messen und quantifizieren sind, weiß niemand so richtig, worauf sie sich belaufen. Viele Wirtschaftswissenschaftler sind sogar der Meinung, daß die Vereinigten Staaten seit einigen Jahren die Wachstumsrate ihres BSP um bis zu zwei, drei Prozentpunkte pro Jahr unterbewerten. Das kommt einem vielleicht nicht viel vor, aber wenn es zutrifft, ist das US-amerikanische Wirtschaftsvolumen – ohnehin schon atemberaubend groß – um ein Drittel größer, als man annimmt. In anderen Worten: In der US-amerikanischen Wirtschaft sind womöglich mehrere hundert Milliarden Dollar im Umlauf, von denen niemand etwas ahnt. Unglaublich.
Doch jetzt kommt's! All das ist unerheblich, weil das BSP ein vollkommen nutzloses Meßinstrument ist. Es ist wirklich nur das Maß der Gesamtwertschöpfung eines Landes pro Jahr, in den USA (wie es die Lehrbücher ausdrücken) »der Wert der in einer bestimmten Zeitspanne produzierten Güter und erbrachten Dienstleistungen in Dollar«. Jede Art wirtschaftlicher Aktivität vergrößert das BSP. Es ist einerlei, ob sie »gut« oder »schlecht« ist. Man hat zum Beispiel geschätzt, daß unser BSP durch den O.-J.-Simpson-Prozeß mit seinen Rechtsanwaltshonoraren, Gerichtskosten, Hotelrechnungen für die Presse und so weiter um zweihundert Millionen Dollar gestiegen ist. Ich bezweifle allerdings sehr, daß viele Leute behaupten würden, das teure Spektakel habe die Vereinigten Staaten zu einem merklich besseren, edleren Land gemacht.
Ja, schlechte Taten tragen oft mehr zum Wachstum des BSP bei als gute. Kürzlich war ich auf dem Gelände einer Zinkfabrik in Pennsylvania, die so viel schädliche Abgase in die Luft geblasen hat, daß ein ganzer Berghang kahlgefressen wurde. Vom Zaun der Fabrik bis zum Gipfel des Berges wuchs nichts mehr, kein Baum und kein
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