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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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aber selbst wenn Sie sich auf das Festland der USA beschränken, sind die Entfernungen beeindruckend. Von meinem Haus nach Los Angeles ist es ungefähr so weit wie von Ihrem Haus nach Lagos. In einem Satz, wir haben es hier mit großen Dimensionen zu tun.
    Deshalb erzähle ich Ihnen gleich noch etwas Atemberaubendes, das mit großen Dimensionen zu tun hat. In den vergangenen zwanzig Jahren (einer Zeitspanne, in der ich, wie ich hier zu Protokoll geben möchte, meine Fortpflanzungspflichten anderswo erledigt habe) hat sich die Bevölkerungszahl der Vereinigten Staaten fast genau um die
    Großbritanniens vergrößert. Ja, da bin ich auch ganz baff, nicht zuletzt, weil ich nicht weiß, wo diese neuen Leute alle sind.
    Wenn man lange in einem gemütlichen kleinen Ländchen wie dem Vereinigten Königreich gelebt hat, fällt einem auf, wie sehr groß und wie sehr leer die USA immer noch sind. Bedenken Sie einmal dies: Montana, Wyoming sowie Nord- und Süddakota haben eine doppelt so große Fläche wie Frankreich, doch eine Einwohnerzahl, die kleiner ist als die Südlondons. Alaska ist noch größer und hat noch weniger Menschen. Selbst mein neuer Heimatstaat New Hampshire im relativ dicht besiedelten Nordosten der USA besteht zu fünfundachtzig Prozent aus Wald, und fast der ganze Rest sind Seen. Hier können Sie stundenlang fahren und sehen nichts als Bäume und Berge – kein Haus, kein Dörflein, ja sehr oft nicht einmal ein anderes Auto.
    Ich falle dauernd auf diese weiten Entfernungen herein. Erst vor kurzem hatten wir ein paar Freunde aus England da, und wir beschlossen, den Seen im westlichen Maine einen Besuch abzustatten. Alle Voraussetzungen zu einem schönen Tagesausflug waren gegeben. Wir brauchten nur quer durch New Hampshire – schließlich den viertkleinsten Staat der USA – und ein wenig hinter die Staatsgrenze in unsere hübsche, elchwimmelnde Nachbarschaft im Osten zu fahren. Ich rechnete mit zwei bis zweieinhalb Stunden Fahrzeit.
    Na, die Pointe haben Sie sicher schon erraten. Sieben Stunden später hielten wir müde und matt am Ufer des Rangeley Lake, knipsten zwei Fotos, schauten uns an, setzten uns wortlos wieder ins Auto und fuhren nach Hause. So was passiert hier ständig.
    Komisch ist nur, daß – soweit ich weiß – kaum ein Amerikaner meint, sein Land sei groß und weit. Sie finden es viel zu voll. Dauernd werden neue Versuche unternommen, den Zugang zu den National- und Naturparks mit der Begründung zu beschränken, daß sie gefährlich überlaufen sind. Zum Teil sind sie das ja auch, aber das liegt daran, daß achtundneunzig Prozent der Besucher mit dem Auto kommen und wiederum achtundneunzig Prozent davon sich nicht weiter als dreihundert Meter von ihren Blechgehäusen wegbewegen. Dadurch hat man dann zwar selbst in den beliebtesten Parks an den vollsten Tagen ganze Berge nur für sich allein, doch wird man mir über kurz oder lang trotzdem verbieten, in vielen Naturparks zu wandern, wenn ich nicht so vorausschauend bin, meinen Besuch Wochen vorher anzumelden, weil das Ding ja eventuell überlaufen sein könnte.
    Noch bedrohlicher ist die wachsende Überzeugung, daß man dieser angeblichen Krise am besten zu Leibe rückt, indem man die ausschließt, die nicht hier geboren sind. Eine Organisation, deren Name mir im Moment entfallen ist (der allerdings »Gefährlich engstirnige Reaktionäre für ein besseres Amerika« lauten könnte), setzt immer wieder todernst gemeinte, sorgfältig argumentierende Anzeigen in die New York Times und andere wichtige Blätter, in denen sie ein Ende der Einwanderung fordert, weil diese »unsere Umwelt und unsere Lebensqualität vernichtet«. Des weiteren entblödet sich diese Organisation auch nicht zu behaupten, daß »wir vor allem wegen der Immigranten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf eine ökologische und ökonomische Katastrophe zurasen«. Jetzt aber mal halblang, bitte!
    Wahrscheinlich gibt es durchaus Gründe dafür, die Einwanderung zu beschränken, aber daß im Land kein Platz mehr sei, ist geradezu lachhaft. Die Gegner weiteren Zuzugs übersehen geflissentlich die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten pro Jahr eine Million Menschen wieder ausweisen und daß diejenigen, die hier sind, meist Jobs machen, die den Einheimischen zu schmutzig, gefährlich oder schlecht bezahlt sind. Wenn man die Immigranten hinauswirft, bedeutet das nicht, daß sich für die hier Ansässigen plötzlich neue Arbeitsmöglichkeiten eröffnen. Im Gegenteil: Dann

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